US-Handelszölle lösen globale Kettenreaktion an Finanzmärkten aus
Nordamerikanische Handelspartner reagieren mit Vergeltungsmaßnahmen auf Trumps 25-prozentige Importzölle, während Automobilindustrie und Stahlmärkte weltweit unter Druck geraten.

- Mexiko erwägt wirtschaftliche Neuausrichtung
- Kanadischer Dienstleistungssektor zeigt Schwäche
- Automobillieferketten besonders gefährdet
- Globale Stahlpreise vor möglichem Einbruch
Im Schatten eines eskalierenden Handelskonflikts zeichnet sich eine tiefgreifende Neuordnung globaler Wirtschaftsbeziehungen ab. Die von US-Präsident Donald Trump am Dienstag in Kraft gesetzten 25-prozentigen Zölle auf Importe aus Kanada und Mexiko haben in nur einem Tag eine weitreichende Kettenreaktion an den internationalen Finanzmärkten ausgelöst. Diese protektionistischen Maßnahmen, die parallel zu neuen Zöllen auf chinesische Waren eingeführt wurden, drohen etablierte Lieferketten zu zerreißen und langjährige Handelspartnerschaften zu erschüttern.
Mexikanische Reaktion und drohende Vergeltung
Die mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum kündigte am Mittwoch mögliche Konsequenzen an, sollten die US-Zölle bestehen bleiben. „Es ist ein sehr entscheidender Moment für Mexiko“, erklärte sie in ihrer täglichen Pressekonferenz. „Unsere Wirtschaft ist stabil, aber es wird keine Unterwerfung geben. Abhängig von den Umständen werden wir uns Kanada und anderen Ländern zuwenden.“ Diese potenzielle Neuausrichtung mexikanischer Handelsbeziehungen könnte die wirtschaftliche Landschaft Nordamerikas grundlegend verändern.
Für Sonntag hat Sheinbaum zu einer Kundgebung auf dem historischen Zócalo-Platz in Mexiko-Stadt aufgerufen, wo sie ihre Antwort an die USA darlegen will – einschließlich angekündigter Vergeltungszölle. Ein für Donnerstag geplantes Telefonat mit Trump könnte jedoch für vorläufige Entspannung sorgen. Der mexikanische Peso konnte am Mittwoch leicht um 0,84% auf 20,41 pro US-Dollar zulegen, was auf vorsichtigen Optimismus der Märkte hindeutet.
Kanadas Dienstleistungssektor unter Druck
Während Mexiko mit einer diplomatischen und wirtschaftlichen Antwort ringt, zeigen Daten aus Kanada bereits die ersten konkreten Auswirkungen der Handelsspannungen. Der von S&P Global veröffentlichte PMI-Index für den kanadischen Dienstleistungssektor fiel im Februar auf 46,6 – den niedrigsten Stand seit September und den dritten Monat in Folge unter der Wachstumsschwelle von 50 Punkten.
„Der kanadische Dienstleistungssektor wurde im Februar hart vom Gespenst der Zölle getroffen“, erklärte Paul Smith, Wirtschaftsdirektor bei S&P Global Market Intelligence. „Die Befragten berichteten weithin, dass die Marktaktivität durch die Zollunsicherheit gelähmt wurde, wobei Kunden nicht bereit waren, neue Geschäftsbeziehungen einzugehen.“ Besonders alarmierend: Der Index für neue Exportgeschäfte stürzte auf 38,7 – den niedrigsten Wert seit Dezember 2020.
Als Reaktion auf Trumps Zölle hat die kanadische Regierung unter Premierminister Justin Trudeau ihrerseits 25-prozentige Zölle auf US-Importe im Wert von 30 Milliarden kanadischen Dollar (etwa 20,7 Milliarden US-Dollar) angekündigt, was die wirtschaftliche Verflechtung beider Länder weiter belastet.
Automobilindustrie im Fadenkreuz
Besonders der Automobilsektor droht unter den neuen Zöllen zu leiden. Die komplexen Lieferketten, bei denen Teile typischerweise mehrfach die Grenze überqueren, bevor ein Fahrzeug fertiggestellt ist, machen die Branche besonders anfällig für Handelshemmnisse. Nach Angaben von Goldman Sachs importierten die USA im Jahr 2024 Autos und Autoteile im Wert von 181,4 Milliarden US-Dollar aus Mexiko – was fast 10% der mexikanischen Wirtschaft entspricht.
Ein Hoffnungsschimmer zeichnet sich allerdings ab: US-Handelsminister Howard Lutnick deutete am Mittwoch an, dass noch am selben Tag eine Ankündigung zu den Zöllen erfolgen könnte, die möglicherweise Erleichterungen für einige Sektoren wie die Automobilbranche bringen könnte. „Weitere gegenseitige Zölle kommen dennoch am 2. April“, warnte Lutnick in einem Interview mit Bloomberg TV, wobei „einige sofort und andere erst nach Wochen oder Monaten erhoben werden“.
Globale Auswirkungen auf Stahlmärkte
Die Handelsspannungen beschränken sich nicht auf Nordamerika, sondern entfalten ihre Wirkung weltweit. Besonders deutlich wird dies auf dem Stahlmarkt. S&P Global prognostiziert, dass indische Stahlwerke vor einem starken Preisverfall stehen, sobald die US-Importzölle in Kraft treten und den globalen Handel mit dieser Legierung umstrukturieren. Die Agentur schätzt, dass indischer Stahl eine Preiskorrektur von etwa 3.000 Rupien (34,52 US-Dollar) pro Tonne erleben könnte.
„Indiens Stahlhersteller sind in zunehmende geopolitische und Handelsspannungen verwickelt, was mehr Unsicherheit in ihren Ausblick bringt“, erklärt S&P Global Ratings-Analyst Ayushman Bharati. Die Zölle verteuern Exporte in die USA und lenken Handelsströme in andere Regionen um. Indien, das bereits 40% seiner Stahlimporte aus Japan und Südkorea bezieht, wird wahrscheinlich einen höheren Zustrom aus diesen Ländern erleben, sobald die Zölle erhoben werden. Diese beiden Nationen machen 15% der gesamten Stahlimporte in den USA aus.
Der Preisdruck könnte besonders problematisch für Indien sein, das 2024 seine Stahlkapazität um etwa 15 Millionen Tonnen erweitert hat. „Träge Stahlpreise könnten die volle Nutzung dieser Kapazität verzögern und Expansionen behindern“, warnt Bharati.
Währungsmärkte und Inflation im Fokus
Während die Handelsspannungen zunehmen, befindet sich die Inflation in der Schweiz auf dem niedrigsten Stand seit fast vier Jahren. Im Februar stiegen die Verbraucherpreise nur um 0,3% im Vergleich zum Vorjahr – der geringste Anstieg seit April 2021. Während einige Posten wie Mieten und Pauschalreisen teurer wurden als im Vorjahr, waren andere Artikel wie Gebrauchtwagen, Körperpflegeprodukte und Medikamente günstiger, was die Inflationsrate gegenüber Januar (0,4%) weiter drückte.
Diese Entwicklung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) bei ihrer nächsten Sitzung am 20. März ihren Leitzins vom aktuellen Niveau von 0,5% senken wird, um zu verhindern, dass die Inflation unter ihre Zielspanne von 0-2% fällt. Die Märkte rechnen mit einer 89-prozentigen Wahrscheinlichkeit, dass die SNB auf 0,25% senken wird.
Auch in Australien gibt es positive wirtschaftliche Signale trotz der globalen Handelsunsicherheit. Nach Angaben des Australian Bureau of Statistics (ABS) wuchs die australische Wirtschaft im vierten Quartal 2024 um 0,6% – nach sieben aufeinanderfolgenden Quartalen mit Rückgängen. Sowohl öffentliche als auch private Ausgaben trugen zu diesem Wachstum bei, unterstützt durch einen Anstieg der Exporte von Waren und Dienstleistungen.
Trumps wirtschaftspolitischer Kurs
Die jüngsten handelspolitischen Maßnahmen fügen sich in ein breiteres Muster der Trump-Administration ein, das auf eine umfassende Umgestaltung und Verkleinerung der Bundesregierung abzielt. In Zusammenarbeit mit seinem Berater Elon Musk, dem reichsten Mann der Welt, hat Trump dramatische Schritte unternommen: Behörden wurden aufgelöst, Tausende von Arbeitnehmern entlassen, Hunderte von Beamten versetzt oder entlassen und die Leiter unabhängiger Agenturen abberufen.
Dies zeigt sich besonders im Bereich der Auslandshilfe. Am Mittwoch lehnte der Oberste Gerichtshof der USA es in einer 5:4-Entscheidung ab, der Trump-Administration zu gestatten, Zahlungen an ausländische Hilfsorganisationen für bereits geleistete Arbeit zurückzuhalten. Diese Entscheidung stellt einen Rückschlag für Trumps Pläne dar, amerikanische humanitäre Projekte weltweit einzustellen. Der Präsident hatte am ersten Tag seiner Amtszeit am 20. Januar eine 90-tägige Pause für alle Auslandshilfen angeordnet.
Arbeitsmarktentwicklung als Stimmungsbarometer
Inmitten dieser handelspolitischen Turbulenzen zeigt der US-Arbeitsmarkt erste Anzeichen einer Abkühlung. Das Wachstum der privaten Lohn- und Gehaltslisten verlangsamte sich im Februar deutlich, wie der am Mittwoch veröffentlichte ADP National Employment Report zeigt. Die privaten Lohn- und Gehaltslisten stiegen im vergangenen Monat nur um 77.000 Stellen, nach einem nach oben korrigierten Anstieg von 186.000 im Januar – deutlich unter den von Reuters-befragten Ökonomen prognostizierten 140.000.
Diese Zahlen werden mit Spannung vor dem umfassenderen und genauer beobachteten Beschäftigungsbericht für Februar betrachtet, der am Freitag vom Bureau of Labor Statistics des Arbeitsministeriums veröffentlicht wird. Analysten rechnen mit einem Anstieg der privaten Beschäftigung um 142.000 Stellen im Februar, da die Belastung durch ungewöhnlich kalte Temperaturen nachgelassen hat. Die Massenentlassungen von Bundesbediensteten, größtenteils auf Probe und bei der United States Agency for International Development, werden im Beschäftigungsbericht für Februar voraussichtlich nicht erscheinen, da die Entlassungen außerhalb der Erhebungswoche für die Lohn- und Gehaltslisten stattfanden.
Die aktuellen Entwicklungen verdeutlichen, wie Trumps „America First“-Agenda die globalen Wirtschaftsbeziehungen nachhaltig verändert und eine Kaskade von Anpassungen und Gegenmaßnahmen auf den Weltmärkten auslöst. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob Diplomatie diese Handelsspannungen entschärfen kann oder ob wir am Beginn eines umfassenden globalen Handelskriegs stehen.