Kurz zusammengefasst:
  • Komplette Neubesetzung des geldpolitischen Führungsgremiums
  • Höchster EU-Leitzins von 6,5 Prozent
  • Sorge vor politischer Einflussnahme wächst
  • Wirtschaft kämpft mit anhaltender Stagnation

Die ungarische Wirtschaft steht vor einem entscheidenden Wendepunkt. Mit dem bevorstehenden Wechsel an der Spitze der Nationalbank (NBH) im März 2025 wächst die Unsicherheit an den Finanzmärkten. Der designierte neue Notenbankchef Mihaly Varga, bisher Finanzminister unter Premier Viktor Orban, übernimmt die Führung in einer Phase hoher Inflation und wirtschaftlicher Stagnation.

Personelle Neuaufstellung mit weitreichenden Folgen

Die Umbesetzung der Zentralbankspitze markiert den Beginn einer umfassenden Neuordnung des geldpolitischen Entscheidungsgremiums. Neben dem scheidenden Gouverneur Gyorgy Matolcsy verlassen auch zwei stellvertretende Gouverneure und ein weiteres Ratsmitglied bis Oktober ihre Posten. Für die vakante Position im Rat wurde die ehemalige Zinsentscheiderin Andrea Mager nominiert, die zwischen 2011 und 2016 bereits Erfahrung in dem Gremium sammelte.

Märkte beobachten geldpolitische Ausrichtung

Investoren verfolgen den Führungswechsel mit Argusaugen. Die Sorge wächst, dass eine Orbán-nahe Mehrheit im Rat die Zinsen trotz anhaltender Inflationsrisiken zu schnell senken könnte – besonders im Hinblick auf die Parlamentswahlen 2026. Der aktuelle Leitzins von 6,5 Prozent, der höchste in der EU, könnte unter Druck geraten.

Wirtschaftliche Herausforderungen

Die ungarische Wirtschaft kämpft seit zwei Jahren mit einer Quasi-Stagnation. Die jüngste Inflationsentwicklung zu Jahresbeginn 2025 erschwert jedoch geldpolitische Lockerungen. Ökonomen haben ihre Prognosen für Zinssenkungen bis Ende 2025 deutlich zurückgenommen. Das scheidende Ratsmitglied Pleschinger warnte bereits vor vorschnellen Zinssenkungen angesichts der Inflationsrisiken.

Politischer Einfluss nimmt zu

Die Ernennung des Orban-Vertrauten Varga zum Notenbankchef wird als Versuch gesehen, mehr Einfluss auf die Geldpolitik zu gewinnen. Während seiner früheren Amtszeit als Ratsmitglied zeigte Mager eine Tendenz zu einer lockeren Geldpolitik: Von 63 Abstimmungen stimmte sie 32-mal für Zinssenkungen und nur zweimal für Erhöhungen.

Ausblick bleibt ungewiss

„Die geldpolitischen Aussichten in Ungarn sind von größerer Unsicherheit als üblich geprägt“, urteilen Ökonomen von Goldman Sachs. Die kommenden Monate werden zeigen, ob die neue Führung der Nationalbank den Spagat zwischen Inflationsbekämpfung und wirtschaftlicher Stimulierung meistern kann. Der letzte Zinsentscheid unter Matolcsy nächste Woche dürfte den Leitzins noch unverändert lassen, doch die weitere Richtung bleibt offen.

Mit dem anstehenden Führungswechsel steht die ungarische Geldpolitik vor ihrer größten Bewährungsprobe seit Jahren. Die Märkte werden genau beobachten, ob die neue Führung die Balance zwischen politischen Wünschen und wirtschaftlicher Stabilität wahren kann.