Die internationalen Finanzmärkte befinden sich Anfang April 2025 in einem Ausnahmezustand. Nach der Einführung drastischer Gegenzölle durch US-Präsident Donald Trump sind die Börsen weltweit abgestürzt. Der S&P 500 verlor mehr als 10 Prozent, während der europäische STOXX 600 am Montag um 5,8 Prozent einbrach – der stärkste Tagesverlust seit der COVID-19-Pandemie. Die Zollpolitik, die Trump als „Befreiungstag“ bezeichnet, hat globale Handelsspannungen massiv verschärft und Rezessionsängste weltweit befeuert.
Drastische Marktreaktionen auf neue Zollpolitik
Die Auswirkungen der neuen US-Zölle sind weitreichend und haben die Risikoaversion der Anleger stark erhöht. Der deutsche Leitindex ist mit einem Minus von 6,6 Prozent besonders stark betroffen, wobei Banktitel wie Commerzbank und Deutsche Bank um mehr als 10 Prozent nachgaben. Selbst Rüstungsaktien, die in diesem Jahr aufgrund gestiegener Verteidigungsausgaben zugelegt hatten, wurden hart getroffen – der Panzerhersteller Rheinmetall stürzte um beeindruckende 23,7 Prozent ab.
Die Anleger flüchten in sichere Häfen, allerdings mit einer bemerkenswerten Ausnahme: Anders als bei früheren Krisen hat der US-Dollar seine typische Rolle als sicherer Hafen verloren. Stattdessen verzeichnen Gold, der japanische Yen und der Schweizer Franken massive Zuflüsse, während gleichzeitig die Staatsanleihenpreise steigen. Diese ungewöhnliche Marktdynamik unterstreicht die Besorgnis der Investoren über die langfristigen Auswirkungen der US-Zollpolitik auf die amerikanische Wirtschaft selbst.
Internationale Reaktionen und Vergeltungsmaßnahmen
Die Reaktionen der internationalen Handelspartner lassen nicht lange auf sich warten. China hat bereits mit eigenen Zöllen reagiert und wird ab dem 10. April eine Abgabe von 34 Prozent auf alle US-Waren erheben. Besonders besorgniserregend ist die Situation für asiatische Exportnationen, von denen sechs mit Zöllen zwischen 32 und 49 Prozent belegt werden. Sri Lanka, das sich gerade erst von seiner schwersten Wirtschaftskrise erholt, wird mit Zöllen von 44 Prozent konfrontiert – ein schwerer Schlag für den Inselstaat, der etwa 40 Prozent seiner Bekleidungsexporte in die USA liefert.
Die Europäische Union scheint hingegen einen gemäßigteren Ansatz zu verfolgen. Der irische Handelsminister Simon Harris betonte, dass unter den EU-Ländern ein starker Konsens für eine „ruhige, überlegte“ Reaktion bestehe. „Ich habe mit den meisten meiner europäischen Amtskollegen gesprochen… und mein starker Eindruck ist, dass die Mehrheitsmeinung bei weitem darin besteht, ruhig und besonnen zu reagieren und zu versuchen, die USA an den Verhandlungstisch zu bekommen“, erklärte Harris. Digitale Dienstleistungen werden nach seiner Einschätzung „in diesem Stadium höchst unwahrscheinlich“ ins Visier genommen.
Wirtschaftliche Folgen und Stützungsmaßnahmen
Während Ökonomen die potenziellen Auswirkungen der Zölle analysieren, gehen erste Stützungsmaßnahmen über die Planungsphase hinaus. Spanien hat bereits ein Hilfspaket in Höhe von 14,1 Milliarden Euro (15,54 Milliarden Dollar) für von US-Zöllen betroffene Unternehmen angekündigt. Wirtschaftsminister Carlos Cuerpo erklärte am Montag, er werde bei einem Treffen der EU-Finanzminister darauf drängen, diese Hilfen auf europäischer Ebene auszuweiten.
Capital Economics prognostiziert, dass die effektive Zollrate der USA auf 14-18 Prozent steigen könnte – der höchste Stand seit 1938. Dies würde zu einem Importrückgang von 10-15 Prozent über einen längeren Zeitraum führen und jährliche Zolleinnahmen von etwa 350 Milliarden Dollar generieren, was etwa 1 Prozent des BIP entspricht. Das Forschungsunternehmen geht davon aus, dass Trump angesichts der drastischen Marktreaktionen Kompromisse eingehen und „Deals“ anbieten könnte, die die Auswirkungen für einige Länder abmildern würden – mit Ausnahme Chinas.
Geldpolitische Implikationen
Die Zuspitzung der Handelskonflikte stellt die Zentralbanken vor eine schwierige Aufgabe. Einerseits könnten die Zölle die Inflation anheizen, andererseits droht eine wirtschaftliche Abkühlung. In Singapur wird erwartet, dass die Währungsbehörde MAS bei ihrer Überprüfung am 14. April ihre Politik lockern wird, indem sie die Steigung des Bandes, in dem der singapurische Dollar handeln darf, reduziert. Laut Fitch-Analystin Lee Yen Nee könnten die neuen US-Zölle das BIP-Wachstum Singapurs um etwa einen Prozentpunkt verringern.
Auch für die Europäische Zentralbank ändern sich die Aussichten. Die Marktteilnehmer erwarten nun, dass der EZB-Einlagensatz im Dezember bei 1,70 Prozent liegen wird – niedriger als die am Freitag prognostizierten 1,75 Prozent und deutlich unter den 1,9 Prozent, die vor Trumps Zollankündigung erwartet wurden. In den USA könnte die Federal Reserve trotz ihrer Zurückhaltung zu Zinssenkungen gedrängt werden, sollte sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtern.
Deflationsdruck in China und weitere Reaktionen
Die chinesische Führung steht vor der Herausforderung, nicht nur auf die US-Zölle zu reagieren, sondern auch die ohnehin schwächelnde Binnenwirtschaft zu stützen. Am kommenden Donnerstag werden neue Inflationsdaten erwartet, bei denen Investoren auf Anzeichen hoffen, dass die chinesischen Haushalte im März eine größere Ausgabebereitschaft zeigten als im enttäuschenden Februar.
Als Zeichen staatlicher Unterstützung gab der chinesische Staatsfonds Central Huijin Investment am Montag bekannt, dass er seine Beteiligungen an chinesischen Aktien aufstockt und dies auch in Zukunft fortsetzen wird, um „den reibungslosen Betrieb des Kapitalmarkts zu sichern“. Der Fonds erklärte, er sei „fest optimistisch hinsichtlich der Entwicklungsperspektiven des chinesischen Kapitalmarkts und erkennt den aktuellen Anlagewert von A-Aktien vollständig an“. Diese Ankündigung erfolgte, nachdem der Shanghai Composite Index am Montag um 7 Prozent eingebrochen war – der schlechteste Tag seit fünf Jahren.
Ausblick: Rezessionsrisiko und mögliche Szenarien
Die zentrale Frage für Investoren und Wirtschaftsexperten bleibt, ob die aktuellen Handelsspannungen zu einer globalen Rezession führen werden. Capital Economics skizziert zwei mögliche Szenarien: Im Basisszenario erkennt Trump die Schwere der Marktreaktionen und bietet Kompromisse an, wodurch die effektive Zollrate moderat ansteigt, ohne zwangsläufig eine Rezession auszulösen. Im pessimistischeren Szenario eskalieren die Zölle weiter, was zu einem erheblichen Vertrauensverlust bei Haushalten und Unternehmen führt und innerhalb weniger Monate eine Rezession auslösen könnte.
Dieser Pessimismus spiegelt sich auch in den Marktbewegungen wider. Die Anleger, die lange auf Klarheit über Trumps Zollpolitik gewartet haben, sind mit dem Ergebnis äußerst unzufrieden. Die bevorstehende Quartalsberichtssaison in den USA, die mit den Ergebnissen mehrerer Großbanken am 11. April beginnt, könnte weitere Einblicke in die Auswirkungen der Zölle auf die Unternehmensleistung geben.
Während Anleger und Wirtschaftsexperten die Situation weiter beobachten, bleibt die Unsicherheit hoch. Die Frage ist nicht mehr, ob die Handelsspannungen die globale Wirtschaftslandschaft verändern werden, sondern in welchem Ausmaß und mit welchen langfristigen Konsequenzen für das internationale Handels- und Finanzsystem.