Die Weltwirtschaft steht vor einem turbulenten Kurswechsel: US-Präsident Donald Trump hat seine Zollpolitik massiv verschärft und damit internationale Märkte in Aufruhr versetzt. Mit der jüngsten Anhebung der Einfuhrzölle auf chinesische Waren auf beispiellose 125 Prozent – eine deutliche Steigerung vom bisherigen Niveau von 104 Prozent – eskaliert der Handelskrieg zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt dramatisch. Gleichzeitig gewährte Trump zahlreichen Ländern überraschend eine 90-tägige Pause bei den meisten Zöllen, was für vorübergehende Erleichterung an den Märkten sorgte.
Chinesische Exporteure unter massivem Druck
Die Folgen für chinesische Unternehmen könnten verheerend sein. Wang Xin, Leiterin des Shenzhen Cross-Border E-Commerce Association, die mehr als 3.000 Amazon-Verkäufer vertritt, bezeichnet die Zollerhöhungen als "beispiellosen Schlag". Viele chinesische Händler, die über Amazon in die USA exportieren, stehen vor existenziellen Entscheidungen: entweder die Preise drastisch anzuheben oder den US-Markt vollständig zu verlassen.
"Das ist nicht nur ein Steuerproblem, sondern die gesamte Kostenstruktur wird völlig überwältigt", erklärte Wang gegenüber Reuters. "Es wird sehr schwer sein, auf dem US-Markt zu überleben." Die Auswirkungen gehen weit über einzelne Unternehmen hinaus – Wang warnt vor schwerwiegenden Folgen für Chinas Kleinunternehmen und Hersteller sowie vor einer rapiden Beschleunigung der Arbeitslosigkeit im Land.
Die wirtschaftlichen Indikatoren bestätigen bereits erste negative Auswirkungen: Chinas Verbraucherpreise fielen im März um 0,1 Prozent im Jahresvergleich, was schlechter als erwartet ausfiel. Die Erzeugerpreise sanken sogar um 2,5 Prozent – der dreißigste Monat in Folge mit rückläufigen Werten. Diese Deflationstendenzen signalisieren eine zunehmende Schwäche der chinesischen Wirtschaft, die nun mit zusätzlichem Gegenwind durch die verschärften Handelsspannungen konfrontiert wird.
Asiatische Verbündete suchen Verhandlungswege
Während China die volle Härte der Trump-Zölle zu spüren bekommt, bemühen sich US-Verbündete in Asien um diplomatische Lösungen. Taiwan, das ursprünglich mit einem Zoll von 32 Prozent belegt werden sollte, profitierte sowohl von der 90-tägigen Pause als auch von der Ausnahme seiner wichtigen Halbleiterindustrie von den Zöllen.
"Jetzt, da wir zusätzliche 90 Tage haben, können wir die wirtschaftliche und handelspolitische Zusammenarbeit zwischen Taiwan und den USA detaillierter und tiefgreifender diskutieren", erklärte der taiwanesische Außenminister Lin Chia-lung. Taiwan strebt dabei eine "Null-Zoll-Regelung" mit den USA an und hat bereits angekündigt, nicht mit Vergeltungsmaßnahmen zu reagieren. Stattdessen will das Land seine Einkäufe und Investitionen in den USA erhöhen, um sein Handelsüberschuss mit seinem wichtigsten internationalen Unterstützer zu reduzieren.
Auch Südkorea, ein weiterer wichtiger US-Verbündeter in der Region, sucht den Dialog. Der südkoreanische Handelsbeauftragte Cheong In-kyo traf mit dem US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer zusammen, um über eine Senkung der Zollsätze zu verhandeln. Trotz des als "positiv" bewerteten Aufschubs bleiben schnelle Konsultationen mit Washington notwendig, da Südkorea besonders durch die verbliebenen Grundzölle von 10 Prozent sowie die 25-prozentigen Abgaben auf Autos, Autoteile, Stahl und Aluminiumprodukte – allesamt Schlüsselexportgüter Südkoreas – betroffen ist.
Japan unter wirtschaftlichem Druck
Für Japan könnte Trumps Zollpolitik besonders schmerzhafte Konsequenzen haben. Analysten der UBS prognostizieren, dass Japans BIP-Wachstum für 2025 durch die amerikanischen Zölle um 0,8 Prozentpunkte schrumpfen könnte – im schlimmsten Fall sogar um 1,9 Prozentpunkte, falls die Zölle länger auf hohem Niveau bleiben.
"Die Zölle werden nicht nur Japans Exporte in die USA treffen, sondern auch die in andere Volkswirtschaften, die mit einer geringeren Nachfrage zu kämpfen haben. Auch der Inlandskonsum und die Investitionsausgaben werden wahrscheinlich unter der nachlassenden Exportnachfrage leiden", so die UBS-Analysten.
Diese geopolitischen Spannungen beeinflussen auch die japanische Geldpolitik. Die Bank of Japan (BoJ) hatte nach dem Ende ihrer radikalen Stimulierungsmaßnahmen im März 2024 die Zinsen in zwei Schritten auf 0,5 Prozent angehoben. Doch angesichts der neuen Handelsunsicherheiten könnte die BoJ ihre geplanten weiteren Zinserhöhungen verzögern. UBS-Analysten prognostizieren, dass die nächste Zinserhöhung erst in der zweiten Hälfte von 2026 erfolgen könnte.
Internationale Politische Dimension
Die Zollentscheidungen Trumps haben auch eine deutliche geopolitische Komponente. Während fast alle Handelspartner mit neuen Zöllen belegt wurden, blieb Russland auffällig verschont. Dies führte zu Nachfragen demokratischer Abgeordneter, warum Trump trotz eines Handelsdefizits von 2,5 Milliarden Dollar mit Russland keine Zölle auf russische Waren erhebe, während selbst arme Länder wie Madagaskar mit einem 47-prozentigen Vergeltungszoll belegt wurden.
US-Handelsbeauftragter Jamieson Greer erklärte vor dem Haushaltsausschuss, dass Russland von den Zöllen ausgenommen sei, weil das Land bereits mit erheblichen US-Sanktionen und sektoralen Handelsembargos belegt sei und nicht den Status der "Meistbegünstigung" genieße – ähnlich wie Belarus, Kuba und Nordkorea. Ob in Zukunft Zölle auf russische Waren erhoben werden, liege allein in der Entscheidungsgewalt des Präsidenten.
Wirtschaftliche Auswirkungen in China verstärken sich
Die chinesische Wirtschaft zeigt bereits deutliche Anzeichen von Belastung, die durch die neuen Zölle noch verstärkt werden dürften. Die deflationären Tendenzen halten an: Der Verbraucherpreisindex fiel im März um 0,1 Prozent im Jahresvergleich, während der Erzeugerpreisindex um 2,5 Prozent sank – eine Verschlechterung gegenüber dem Februar-Rückgang von 2,2 Prozent.
Die Kerninflation, ohne Lebensmittel- und Energiepreise, stieg zwar leicht um 0,5 Prozent, doch der Konsum bleibt unter besonderer Beobachtung. Da der Beitrag der Nettoexporte zum Wachstum durch Pekings Vergeltungsmaßnahmen gegen US-Zölle voraussichtlich negativ wird, steht Chinas BIP-Wachstumsziel von etwa 5 Prozent auf dem Prüfstand.
"Wir erwarten, dass fiskalpolitische Maßnahmen die Expansion der Binnennachfrage angesichts externer Schocks anführen werden", prognostizieren Citi-Ökonomen und sagen zusätzliche Mittel von 1 bis 1,5 Billionen Yuan (136-204 Milliarden Dollar) zur Jahresmitte voraus. "Optionen zur Ausweitung von Eintauschprämien, Kinderbetreuungszuschüssen und Unterstützung für Haushalte mit niedrigem Einkommen stehen alle auf dem Tisch."
Marktreaktionen und Ausblick
Die kurzfristigen Marktreaktionen auf Trumps überraschende 90-Tage-Pause fielen positiv aus. Taiwans Aktienmarkt eröffnete am 10. April mit einem Plus von mehr als 9 Prozent, nachdem er in den drei vorangegangenen Handelstagen eingebrochen war. Auch andere asiatische Märkte folgten diesem Aufwärtstrend.
Dennoch warnte der Gouverneur der taiwanesischen Zentralbank, Yang Chin-long, dass weiterhin große Unsicherheiten für den Aktienmarkt bezüglich Trumps Zöllen bestünden. UBS-Analysten gehen davon aus, dass bis zum dritten Quartal breitere bilaterale Verhandlungen mit den USA zu einer Senkung des effektiven Zollsatzes auf etwa 10-15 Prozent bis Ende des Jahres führen könnten.
Für japanische Unternehmen hat die UBS ihre Prognose für das Gewinnwachstum im Geschäftsjahr 2025 von +4 Prozent auf -2 Prozent gesenkt und ihr Jahresendziel für den TOPIX-Index von 2.850 auf 2.600 reduziert.
Die globalen Handelsspannungen dürften in den kommenden Monaten ein zentrales Thema für die Märkte bleiben. Während China mit den höchsten Zöllen konfrontiert ist, bemühen sich US-Verbündete um Verhandlungslösungen. Die 90-tägige Pause gibt den betroffenen Ländern Spielraum für weitere Gespräche, doch der grundlegende Richtungswechsel in der US-Handelspolitik stellt eine anhaltende Herausforderung für die globale Wirtschaftsordnung dar.