Trumps Handelspolitik: Zentralbanken weltweit in Alarmbereitschaft
Weltweite Währungshüter reagieren auf drohende Stagflation durch neue US-Zollpolitik mit angepassten Strategien und erhöhter Vorsicht bei geldpolitischen Entscheidungen.

- Notenbanken überdenken Zinssenkungspläne weltweit
- Erhöhte Inflationsrisiken durch US-Zollmaßnahmen
- Geldpolitischer Paradigmenwechsel unter Unsicherheit
- Dollar-Kurs profitiert von zurückhaltender Fed
Die globalen Finanzmärkte befinden sich in einer Phase erhöhter Unsicherheit, da US-Präsident Donald Trumps aggressive Handelspolitik die Weltwirtschaft in eine stagflationäre Richtung drängt. Diese Entwicklung stellt Zentralbanken weltweit vor beispiellose Herausforderungen. Während die US-Notenbank Federal Reserve ihre Zinssenkungspläne überdenkt, sehen sich andere Währungshüter gezwungen, ihre geldpolitischen Strategien anzupassen und gleichzeitig mit steigenden Inflationsrisiken umzugehen.
Weltweite Zentralbanken im Dilemma
Die Bank of England (BoE) hat am Donnerstag ihren Leitzins bei 4,5% belassen und dabei explizit auf die von Trump geplanten Zölle als Faktor für die zunehmend unsichere globale Wirtschaftslage verwiesen. Mit einer Abstimmung von 8:1 gegen eine Zinssenkung signalisierte die britische Notenbank eine deutlich vorsichtigere Haltung als erwartet. „Die Abstimmung und das Protokoll waren unserer Meinung nach eher restriktiv, und die kurzfristigen Risiken sind ebenfalls restriktiv“, kommentierten Analysten von Morgan Stanley.
Ähnliche Warnsignale kamen von der Bank of Japan, die ihren Leitzins unverändert ließ und darauf hinwies, dass künftige geldpolitische Entscheidungen maßgeblich davon abhängen könnten, wie sich Trumps Plan zur weltweiten Einführung neuer Zölle in der Praxis auswirkt. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) reagierte hingegen mit einer Zinssenkung auf 0,25%, betonte aber, dass „Entwicklungen im Ausland weiterhin das Hauptrisiko in einem Wirtschaftsklima darstellen, das erheblich unsicherer geworden ist.“
EZB-Präsidentin Christine Lagarde warnte am Donnerstag, dass US-Zollmaßnahmen und die wahrscheinliche Vergeltung der Europäischen Union das Wirtschaftswachstum belasten und zumindest kurzfristig etwa einen halben Prozentpunkt zur Inflation beitragen könnten. Diese koordinierte Besorgnis der wichtigsten Zentralbanken unterstreicht die globalen Auswirkungen der US-Handelspolitik.
Paradigmenwechsel in der Geldpolitik
Besonders deutlich wird der Kurswechsel bei der Bank of Canada, deren Gouverneur Tiff Macklem am Donnerstag einen fundamentalen Wandel in der Ausrichtung der Geldpolitik ankündigte. „Angesichts der Unsicherheit über die Auswirkungen der US-Zölle müssen wir unsere Geldpolitik ändern und weniger vorausschauend als üblich agieren“, erklärte Macklem in Calgary. Die Bank werde sich weniger auf Prognosen für einen bestimmten Ausblick konzentrieren und stattdessen eine Politik verfolgen, die für verschiedene Ergebnisse funktioniert.
„Wenn wir die wirtschaftliche Entwicklung falsch einschätzen, könnten unsere Maßnahmen unwirksam sein oder die Lage sogar verschlimmern“, warnte Macklem. „Daher müssen wir das Risiko minimieren. Das bedeutet, weniger vorausschauend zu sein als normal, bis die Situation klarer ist.“ Die kanadische Wirtschaft, so Macklem, habe zwar eine sanfte Landung geschafft, werde aber „nicht lange auf dem Rollfeld bleiben. Wir stehen jetzt vor einer neuen Wirtschaftskrise.“
Diese neue Unsicherheit spiegelt sich auch in den Projektionen der Federal Reserve wider. Trotz eines veränderten wirtschaftlichen Umfelds hält die US-Notenbank an ihrer Dezember-Prognose von zwei Zinssenkungen um jeweils 0,25 Prozentpunkte bis Ende des Jahres fest. Fed-Chef Jerome Powell beschrieb die aktuelle Situation als eine Zeit „wirklich erhöhter“ Unsicherheit. „Es ist einfach… wirklich schwer zu wissen, wie sich das entwickeln wird“, gab er zu.
Dollar profitiert, Märkte verunsichert
Die zögerliche Haltung der Fed hat dem US-Dollar neuen Auftrieb gegeben. Am Donnerstag stieg die amerikanische Währung breit an, nachdem die Federal Reserve signalisiert hatte, dass sie es mit weiteren Zinssenkungen in diesem Jahr nicht eilig hat. Der Euro fiel um 0,7% auf 1,0828 Dollar.
„Viele der schlechten Nachrichten waren bereits eingepreist, aber keiner der harten Daten bricht so ein, wie es die Märkte befürchtet hatten, und selbst die Fed deutet nicht an, dass sie in Eile ist, die Zinsen weiter zu senken“, erklärte Jayati Bharadwaj, globale FX-Strategin bei TD Securities. „All das führt dazu, dass die Märkte einen Teil des Bärischen neu bewerten, das sie in den Dollar eingepreist haben.“ Händler rechnen nun mit Zinssenkungen von insgesamt 63 Basispunkten durch die Fed in diesem Jahr, wie Daten von LSEG zeigen.
Die britischen Aktienmärkte reagierten verhalten auf die Entscheidung der Bank of England. Der blue-chip FTSE 100 schloss nahezu unverändert, während der FTSE 250 leicht um 0,1% nachgab. Besonders der Bankensektor verzeichnete mit einem Rückgang von 1,3% deutliche Verluste, was die fallenden Renditen britischer Staatsanleihen widerspiegelte.
Stagflationsrisiken nehmen zu
Die Kombination aus sich verlangsamendem Wirtschaftswachstum und neuen Inflationsrisiken schiebt die US-Wirtschaft in Richtung Stagflation – ein Szenario, das für die gesamte Weltwirtschaft bedrohlich werden könnte. „Die Verbreitung von Zöllen und die damit verbundenen Unsicherheiten erhöhen das Risiko einer globalen Bruchlandung“, warnte Ken Wattret, globaler Ökonom bei S&P Global Market Intelligence. „Die Maße der handelspolitischen Unsicherheit sind weiterhin auf beispiellose Höhen gestiegen, während Unternehmensumfragen nun auch einen Verlust an globalem Wachstumsmomentum zeigen.“
Trump hat angekündigt, im nächsten Monat die zweimal verschobenen Pläne zur Erhebung von 25% Zöllen auf Waren aus Mexiko und Kanada trotz des in seiner ersten Amtszeit ausgehandelten regionalen Handelsabkommens umzusetzen und für andere Länder eine Zollhöhe auf Basis der Steuern anzukündigen, die sie auf US-Waren erheben. Bereits jetzt hat er die Zölle auf Waren aus China sowie auf Stahl und Aluminium erhöht.
„Zölle wirken sich eindeutig negativ auf das Wachstum der Weltwirtschaft aus“, sagte Jeffrey Schultz, Leiter der CEEMEA-Wirtschaft bei BNP Paribas Markets 360. Die Sorge vor einer Stagflation in den USA wird wahrscheinlich zu einer Verzögerung der Zinssenkungen durch die Federal Reserve führen, was straffere globale Finanzierungsbedingungen und „kritisch betrachtet, einen negativen Unsicherheitsschock“ zur Folge haben wird – „und ich glaube nicht, dass das besonders gute Nachrichten für die Schwellenländer sind.“
Weitere Spannungsfelder
Während die Zentralbanken mit den Folgen der US-Handelspolitik ringen, gibt es weitere Krisenherde, die die globale Finanzstabilität belasten. Die Europäische Union steht vor Herausforderungen in Bezug auf die Ukraine-Hilfe und ihre eigene Verteidigungsstrategie. EU-Staats- und Regierungschefs sagten am Donnerstag zu, die Ukraine weiterhin zu unterstützen, gaben jedoch keine konkrete Zusage für das von Präsident Wolodymyr Selenskyj geforderte Paket von mindestens 5 Milliarden Euro für Artilleriekäufe.
Gleichzeitig kämpft die US-Regierung mit rechtlichen Hürden bei der Umsetzung ihrer umstrittenen Neuausrichtung der Auslandshilfen. Das Justizministerium erklärte in einer Gerichtsakte, dass die Regierung erwartet, bis Freitag etwa 671 Millionen Dollar an geschuldeten Zahlungen an ausländische Hilfsorganisationen zu leisten, die wegen der weitreichenden Einstellung der meisten US-Auslandshilfen klagen – fast zwei Wochen nach einer gerichtlich angeordneten Frist.
Ausblick: Gegenwinde für die Weltwirtschaft
Die neue geldpolitische Landschaft, geprägt von Unsicherheit und divergierenden Zentralbankstrategien, dürfte in den kommenden Monaten zu erhöhter Volatilität an den Finanzmärkten führen. Während einige Zentralbanken wie die Schweizerische Nationalbank bereits Zinssenkungen vorgenommen haben, bleiben andere wie die Fed und die Bank of England vorsichtig und betonen die erhöhten Inflationsrisiken durch Trumps Handelspolitik.
Die Daten zum Erdgasspeicher in den USA, die einen unerwarteten Anstieg auf 9 Milliarden Kubikfuß zeigen – deutlich über den prognostizierten 3 Milliarden – deuten auf eine schwächere Nachfrage hin, was für die Erdgaspreise bärisch ist. Diese Entwicklung könnte zusätzlichen Druck auf den Energiesektor ausüben, insbesondere in Ländern wie Kanada mit einem bedeutenden Energiesektor.
Die kommenden Monate werden entscheidend sein, um zu beurteilen, wie sich diese neuen wirtschaftlichen Realitäten auf das globale Wachstum, die Inflation und die Finanzmarktdynamik auswirken werden. Für Investoren und politische Entscheidungsträger wird es wichtiger denn je sein, flexibel zu bleiben und sich schnell an veränderte Bedingungen anzupassen – genau wie es die Zentralbanken nun zu tun versuchen.