Die globalen Finanzmärkte erlebten am 10. April 2025 eine spektakuläre Erholungsrallye, nachdem US-Präsident Donald Trump überraschend eine 90-tägige Aussetzung der meisten seiner erst kürzlich verhängten Strafzölle verkündete. Der S&P 500 verzeichnete mit einem Anstieg von 9,5 Prozent seinen stärksten Tagesgewinn seit 2008, während der Nasdaq mit einem Plus von 12,2 Prozent den zweitgrößten Tagesgewinn seiner Geschichte verbuchte.
Dramatische Kehrtwende beendet Marktturbulenzen
Nur eine Woche nach Trumps "Liberation Day", an dem er massive Zölle gegen Dutzende von Ländern angekündigt hatte, folgte nun die überraschende Wende. Die Ankündigung vom 9. April löste eine weltweite Kaufwelle an den Börsen aus und ließ den VIX-Volatilitätsindex, auch als "Angstbarometer" der Wall Street bekannt, den stärksten Tagesrückgang seiner Geschichte verzeichnen.
"Dies ist der entscheidende Moment, auf den wir gewartet haben. Das Timing könnte nicht besser sein, da es mit dem Beginn der Berichtssaison zusammenfällt", kommentierte Gina Bolvin, Präsidentin der Bolvin Wealth Management Group. "Allerdings bleibt die Unsicherheit darüber bestehen, was nach der 90-tägigen Frist geschieht, wodurch Anleger möglicherweise mit potenzieller Volatilität konfrontiert werden."
Die Wahrscheinlichkeit einer US-Rezession im Jahr 2025 sank laut der Krypto-Wettplattform Polymarket deutlich von 66 auf 49 Prozent. Goldman Sachs nahm sogar seine Rezessionsprognose zurück und kehrte zu seiner früheren Baseline-Schätzung zurück, die für 2025 ein Wirtschaftswachstum vorsieht.
China bleibt im Handelskrieg-Fokus
Trotz der allgemeinen Zollpause verschärfte Trump den Handelskonflikt mit China weiter, indem er die Zölle auf chinesische Importe von 104 auf 125 Prozent anhob. Als Begründung nannte er "den Mangel an Respekt, den China den Weltmärkten entgegengebracht hat". China hatte zuvor bereits mit einer Erhöhung der Zölle auf amerikanische Waren auf 84 Prozent reagiert.
Diese Eskalation ließ den Yuan auf ein Rekordtief fallen. Der Offshore-Yuan erreichte zeitweise 7,4287 pro Dollar, während der Onshore-Yuan sich der Marke von 7,35 pro Dollar näherte – Niveaus, die zuletzt 2007 gesehen wurden. Experten erwarten, dass Peking als Reaktion eine weitere Abwertung der chinesischen Währung zulassen könnte.
"Es ist schwer vorstellbar, dass eine der beiden Seiten in den nächsten Tagen nachgibt. Aber wir vermuten, dass schließlich Gespräche stattfinden werden, obwohl eine vollständige Rücknahme aller zusätzlichen Zölle, die seit dem Amtsantritt verhängt wurden, unwahrscheinlich erscheint", erklärte Paul Ashworth, Chefvolkswirt für Nordamerika bei Capital Economics.
Internationale Auswirkungen und Reaktionen
Die Handelspause hat nicht nur die US-Märkte beflügelt. Die Futures des japanischen Nikkei deuteten auf einen Anstieg von 8 Prozent hin, während europäische Futures ebenfalls stark zulegten. Der DAX und der EUROSTOXX 50 zeigten Kurssprünge von jeweils etwa 9 Prozent an, während der FTSE um 6 Prozent zulegte.
Im Währungsbereich verzeichnete der australische Dollar mit einem Plus von mehr als 3 Prozent seinen stärksten Anstieg seit 2011. Auch Schwellenländerwährungen wie der mexikanische Peso und der brasilianische Real gewannen jeweils etwa 3 Prozent hinzu.
Die brasilianische Regierung unter Präsident Luiz Inácio Lula da Silva reagierte vorsichtig auf die Entwicklung. Lula erklärte, Brasilien werde bei Zöllen auf Gegenseitigkeit setzen, wolle aber zunächst alle Verhandlungsmöglichkeiten ausschöpfen: "Wir werden jedes Wort für Verhandlungen nutzen, das im Wörterbuch steht", sagte er.
Bedenken am US-Anleihenmarkt bleiben bestehen
Trotz der Euphorie an den Aktienmärkten bleibt die Situation am US-Anleihenmarkt angespannt. In den Tagen vor Trumps Ankündigung kam es zu massiven Verkaufswellen bei langlaufenden Staatsanleihen, die Erinnerungen an die "Dash for Cash"-Panik während der Covid-Pandemie weckten.
Die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen stieg zeitweise auf 4,52 Prozent, den höchsten Stand seit Februar, bevor sie sich auf 4,32 Prozent zurückbildete. Experten warnen, dass die Dysfunktionen am 29-Billionen-Dollar schweren Treasury-Markt, dem Fundament des globalen Finanzsystems, nicht über Nacht verschwinden werden.
"Die stehenbleibende Inflation, eine geduldige Fed, potenzielle Käuferstreiks ausländischer Investoren, Deleveraging von Hedgefonds, Umschichtungen von Anleihen in Cash und ein illiquider Treasury-Markt sind alles Gründe, warum die Treasury-Renditen weiter steigen", erklärte Lawrence Gillum, Chefstratege für festverzinsliche Wertpapiere bei LPL Financial.
Politische Hintergründe und wirtschaftliche Perspektiven
Parallel zu den Marktturbulenzen kämpft die republikanische Führung im US-Repräsentantenhaus mit internen Widerständen gegen einen Haushaltsplan, der Trumps Steuersenkungsagenda unterstützen soll. Die geplante Abstimmung musste verschoben werden, da einige konservative Republikaner tiefere Ausgabenkürzungen fordern als die im Senat verabschiedeten Maßnahmen vorsehen.
"Es ist ZWINGEND, dass die Republikaner im Repräsentantenhaus jetzt das Steuersenkungsgesetz verabschieden! Unser Land wird boomen!!!", forderte Trump auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social.
Nach Angaben des Committee for a Responsible Federal Budget würden die geplanten Steuersenkungen etwa 5,7 Billionen Dollar zur Staatsverschuldung beitragen, während nur etwa 2 Billionen Dollar an Ausgabenkürzungen vorgesehen sind. Das Komitee warnt zudem, dass die Verlängerung der Trump-Steuersenkungen von 2017 zwar "die Wirtschaft bis 2027 um durchschnittlich 0,3 Prozent steigern würde", aber "ab 2028 beginnen würde, das Wachstum zu verringern und die Wirtschaft ab 2034 insgesamt zu schrumpfen".
Ausblick auf die kommenden Monate
Mit Blick auf die Zukunft bleibt die entscheidende Frage, was nach Ablauf der 90-tägigen Zollpause geschehen wird. Die Unsicherheit wird durch die Tatsache verstärkt, dass Trump andere Zollmaßnahmen beibehalten hat, darunter eine pauschale 10-prozentige Abgabe auf fast alle US-Importe sowie 25-prozentige Zölle auf Automobile und ausgewählte Rohstoffe.
US-Finanzminister Scott Bessent erklärte, die Regierung benötige Zeit für Verhandlungen mit mehr als 75 Ländern, die Kontakt aufgenommen hätten. Er deutete an, dass Trump die Zölle genutzt habe, um "maximale Verhandlungshebel für sich selbst zu schaffen".
Kevin Gordon, leitender Investmentstratege bei Charles Schwab, mahnte zur Vorsicht: "Es ergibt Sinn, dass der Markt aus überverkauften Niveaus heraus steigt, aber im Moment eine überzeugende Prognose abzugeben, ist ein Narrenspiel. Wir müssen abwarten und sehen, wie die endgültige Politik aussieht, aber leider ändert sich die Politik fast täglich."
Mit der anstehenden Berichtssaison und der Veröffentlichung wichtiger Inflationsdaten stehen den Märkten weitere ereignisreiche Wochen bevor, in denen die Auswirkungen von Trumps Handelspolitik weiterhin im Mittelpunkt stehen werden.