Die Fronten zwischen dem US-Präsidenten und dem Chef der US-Notenbank haben sich dramatisch verhärtet. Donald Trump intensivierte am Donnerstag seinen seit langem schwelenden Konflikt mit Fed-Chef Jerome Powell und erklärte öffentlich, Powells "Amtsenthebung könne nicht schnell genug kommen". In einem denkwürdigen Ausbruch beschuldigte der Präsident den von ihm selbst 2017 nominierten Notenbanker, "Politik zu spielen", indem er die Zinssätze nicht senke, und drohte unverhohlen mit dessen Absetzung.
Machtfrage mit weitreichenden Folgen
"Wenn ich ihn loswerden will, wird er sehr schnell weg sein, glauben Sie mir", sagte Trump vor Reportern im Weißen Haus nach einem Treffen mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Die Androhung eines präsidentiellen Eingriffs in die traditionell unabhängige Notenbank kommt zu einem kritischen Zeitpunkt für die Weltwirtschaft und beunruhigt Investoren weltweit.
Der Konflikt hat sich bereits seit Monaten abgezeichnet. Laut einem Bericht des Wall Street Journal hat Trump in privaten Gesprächen bereits seit Februar die Möglichkeit diskutiert, Powell zu entlassen. Diese Gespräche sollen unter anderem mit dem ehemaligen Fed-Gouverneur Kevin Warsh stattgefunden haben, den Trump als potenziellen Nachfolger in Betracht zieht. Warsh, der von 2006 bis 2011 im Fed-Vorstand saß, soll Trump jedoch davon abgeraten haben, Powell vor Ende seiner regulären Amtszeit zu entlassen.
Die rechtliche Grundlage für eine mögliche Entlassung ist umstritten. Der Federal Reserve Act von 1913 legt fest, dass Fed-Führungskräfte nur "aus wichtigem Grund" entlassen werden können. Powell selbst hat erklärt, seine Entlassung sei "nach geltendem Recht nicht zulässig". Doch ein kürzliches Urteil des Obersten Gerichtshofs, das Trump die Entlassung von Demokraten aus zwei Bundesarbeitsgremien vor Ablauf ihrer Amtszeit erlaubte, hat neue Fragen zur Verletzlichkeit von Fed-Beamten aufgeworfen.
Ökonomisches Dilemma durch Zollpolitik
Hinter dem Konflikt steht ein fundamentales wirtschaftspolitisches Dilemma. Trump drängt auf Zinssenkungen, um die Wirtschaft anzukurbeln, während gleichzeitig seine aggressiven Zollpläne inflationäre Tendenzen verstärken könnten. Powell betonte am Mittwoch, dass die Fed aufgrund dieser widersprüchlichen Signale eine abwartende Haltung einnehmen müsse.
"Ich sehe keinen Grund, den Leitzins in naher Zukunft zu ändern", erklärte New York Fed-Präsident John Williams am Donnerstag gegenüber Fox Business. "Wir haben in diesem Jahr eine höhere Inflation und ein langsameres Wachstum im Vergleich zum Vorjahr. Das ist eine Kombination, über die man sorgfältig nachdenken muss."
Die Zinsaussichten in der Eurozone stehen in deutlichem Kontrast zur amerikanischen Situation. Die Europäische Zentralbank senkte am selben Tag ihren Leitzins zum siebten Mal innerhalb eines Jahres und signalisierte die Bereitschaft zu weiteren Lockerungsmaßnahmen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde nahm dabei eine "mutige und taubenhaftere" Haltung ein als Powell, wie Marktkommentatoren bemerkten.
Erschüttertes Vertrauen an den Märkten
Die Auswirkungen auf die globalen Finanzmärkte waren unmittelbar spürbar. Nach Trumps Äußerungen fielen sowohl der Dollar als auch der US-Aktienmarkt. Der Dow Jones Industrial Average gab 1,3% nach, während der Dollar-Index nach einem positiven Handelstag schließlich unverändert schloss, da Händler vor dem langen Wochenende ihre Positionen reduzierten.
Besonders besorgniserregend für Investoren ist die Tatsache, dass US-Staatsanleihen und der Dollar, die traditionell als sichere Häfen in Krisenzeiten gelten, während der jüngsten Turbulenzen abgestürzt sind. Die Renditekurve für US-Anleihen hat sich weiter versteilt, wobei die 30-jährige Rendite um 6 Basispunkte anstieg und die Differenz zwischen 2- und 30-jährigen Anleihen wieder über 100 Basispunkte kletterte.
"Eine plötzliche Konkretisierung der Bedrohung der Fed-Unabhängigkeit würde sowohl den Marktstress intensivieren als auch ihn in eine stärker stagflationäre Richtung verschieben, mit einem starken Anstieg der Tail-Risiken", warnte Evercore ISI Vizevorsitzender Krishna Guha in einer Notiz an Kunden.
Internationale Besorgnis wächst
Die internationale Gemeinschaft beobachtet die Entwicklung mit wachsender Sorge. IWF-Chefin Kristalina Georgieva warnte, dass angesichts der sich abschwächenden globalen Aussichten im Zuge der Trump-Zolloffensive Zentralbanken wie die Fed agil und glaubwürdig bleiben müssten – Fähigkeiten, die durch politische Einmischung eingeschränkt werden könnten.
Die gegenwärtige Situation erinnert viele Beobachter an Trumps erste Amtszeit, in der er Powell wiederholt öffentlich kritisierte. Damals blieb es jedoch bei verbalen Attacken. Die aktuelle Eskalation, die mit der expliziten Drohung einer Entlassung einhergeht, markiert eine neue Dimension des Konflikts.
Weißes Haus intern gespalten
Innerhalb der Trump-Administration scheint es unterschiedliche Ansichten zur Frage der Fed-Unabhängigkeit zu geben. Laut Politico hat Finanzminister Scott Bessent Mitarbeiter des Weißen Hauses wiederholt davor gewarnt, zu versuchen, Powell zu entlassen, da dies die Finanzmärkte destabilisieren könnte. Bessents Rolle als mäßigende Kraft könnte entscheidend sein, um eine vollständige Krise abzuwenden.
Während der Konflikt mit Powell eskaliert, versucht Trump gleichzeitig, auf anderen wirtschaftspolitischen Fronten Fortschritte zu erzielen. Bei Handelsverhandlungen mit verschiedenen Ländern zeigte er sich optimistisch: "Wir werden einen Deal machen… Ich denke, wir werden einen sehr guten Deal mit China machen", sagte er und fügte hinzu, dass die USA durch Zölle "eine Menge Geld einnehmen, was wir vorher nie getan haben".
Finanzminister Bessent ergänzte, dass die Regierung zunächst mit den 15 größten Volkswirtschaften verhandle: "Wir hatten gestern ein fantastisches Treffen mit Japan. Ich glaube, mit der EU wurde bereits telefoniert. Und dann kommt nächste Woche Südkorea, und ich glaube, Indien spricht auch – das bewegt sich sehr schnell."
Ausblick auf turbulente Zeiten
Während sich Investoren auf ein verlängertes Osterwochenende vorbereiten – die US-Börsen bleiben am Karfreitag geschlossen – bleibt die Unsicherheit hoch. Am Freitag werden die wöchentlichen Berichte der Commodity Futures Trading Commission (CFTC) veröffentlicht, die Einblicke in spekulative Positionen in verschiedenen Märkten bieten. Zudem wird eine Rede von Mary Daly, der Präsidentin der Federal Reserve Bank von San Francisco, erwartet, die möglicherweise Hinweise auf die zukünftige geldpolitische Richtung geben könnte.
In der Zwischenzeit setzt Trump seine aggressive Politik auch in anderen Bereichen fort. Der Oberste Gerichtshof kündigte an, am 15. Mai Argumente zu Trumps umstrittener Anordnung zur Einschränkung des automatischen Geburtsrechts auf Staatsbürgerschaft zu hören. Diese Verordnung ist Teil von Trumps strenger Einwanderungspolitik und wird von 22 demokratischen Generalstaatsanwälten sowie Einwandererrechtsgruppen angefochten.
Die kommenden Wochen werden zeigen, ob Trump tatsächlich versuchen wird, Powell zu entlassen, und welche Auswirkungen dies auf die globalen Märkte haben würde. Eines ist jedoch bereits jetzt klar: Das Vertrauen in den Dollar und US-Staatsanleihen, das Vertrauen in die US-Wirtschaftspolitik und das Vertrauen in US-Institutionen und Regierungsführung waren selten geringer.