Handelskrieg um Trump-Zölle: Globale Märkte stehen vor tektonischer Verschiebung
Eine neue Wirtschaftsordnung entsteht durch protektionistische Maßnahmen der USA, während Investoren verstärkt auf europäische und asiatische Märkte setzen.

- Investoren wenden sich von US-Märkten ab
- Unternehmen passen Strategien an Zollkonflikte an
- Europa und China stärken Wirtschaftspositionen
- Dollar verliert an internationaler Attraktivität
Die globale Finanzlandschaft steht im März 2025 an einem Wendepunkt. Ausgelöst durch die umfassenden Zollmaßnahmen der Trump-Administration verschiebt sich der Fokus internationaler Investoren zunehmend weg von den USA hin zu europäischen und asiatischen Märkten. Dieser tektonische Wandel manifestiert sich bereits in den Kursentwicklungen: Während der S&P 500 seit Jahresbeginn um 1,8% gefallen ist, verzeichnen europäische Aktien ein Plus von fast 9% und Technologiewerte in Hongkong sind um beeindruckende 30% gestiegen.
Globaler Handelskrieg mit weitreichenden Folgen
Die Zuspitzung des Handelskonflikts erfolgte vor einem Monat, als die Trump-Regierung Zölle von 25% auf die meisten Importe aus Mexiko und Kanada erhob und gleichzeitig die Abgaben auf chinesische Waren auf 20% verdoppelte. Kanada und China reagierten umgehend mit Gegenzöllen, während die mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum für das kommende Wochenende eigene Vergeltungsmaßnahmen angekündigt hat. Der Zollstreit markiert einen Wendepunkt in den US-mexikanischen Beziehungen und stellt die wirtschaftliche Integration der vergangenen 30 Jahre in Frage.
Besonders bemerkenswert ist die unterschiedliche politische Wirkung der Zollmaßnahmen in den betroffenen Ländern. Während in den USA laut einer aktuellen Reuters/Ipsos-Umfrage eine Mehrheit der Bürger die neuen Importzölle ablehnt, konnte Mexikos Präsidentin Sheinbaum ihre Popularität steigern. Ihre Zustimmungsraten stiegen seit Oktober um 15 Prozentpunkte auf beachtliche 85% – ein Phänomen, das Analysten auf geschicktes Ansprechen mexikanischen Nationalstolzes angesichts der US-amerikanischen Handelspolitik zurückführen.
Unternehmen reagieren mit strategischer Neuausrichtung
Japanische Konzerne haben bereits frühzeitig auf die drohende Zollgefahr reagiert. Der Elektronikgigant Sony und der Getränkehersteller Suntory haben in den USA Lagerbestände aufgebaut, während andere Unternehmen ihre Produktions- oder Lieferketten verlagern.
„Die Unternehmen sind sich nun stärker bewusst, dass auch Japan ein Ziel sein könnte“, erklärt Norihiro Yamaguchi, Chefökonom bei Oxford Economics. Er verweist auf Trumps Warnung, die USA könnten Zölle einsetzen, um Wettbewerbsnachteile auszugleichen, wenn Japan und China den Wert ihrer Währungen nicht aufhören zu senken.
Honda hat bereits entschieden, ein neues Modell eines seiner meistverkauften Fahrzeuge in den USA statt in Mexiko zu produzieren. Japan Display, ein wichtiger Zulieferer von LCD-Displays für die Automobilindustrie, erwägt ebenfalls die Produktion einiger Artikel in den USA, teilweise um Zölle zu vermeiden.
Für die US-Automobilindustrie gibt es hingegen eine vorübergehende Erleichterung. Das Weiße Haus gewährte den „Big Three“ Autoherstellern Ford, General Motors und Stellantis, die sich an das USMCA-Abkommen halten, eine einmonatige Befreiung von den kürzlich verhängten Zöllen auf Mexiko und Kanada. Dennoch warnen die Autohersteller vor drastischen Preiserhöhungen für bestimmte Modelle, und der CEO von Target, Brian Cornell, kündigte bereits Preiserhöhungen für bestimmte saisonale Lebensmittel wie Avocados aus Mexiko an.
Vom US-Exzeptionalismus zur globalen Neuordnung
Die aktuelle Entwicklung markiert eine deutliche Abkehr vom „US-Exzeptionalismus“, der die Märkte in den letzten drei Jahren dominierte. „Gehen wir zurück zum Dezember, da gab es diesen überwältigenden Konsens über den US-Exzeptionalismus, und die USA waren der einzige Ort, in den man investieren sollte“, erläutert Dario Perkins, Geschäftsführer für globale Makroökonomie bei TS Lombard. „Was hier wirklich passiert ist, ist, dass diese Zolldrohungen und die Aggressivität Trumps andere Länder zwingen, mehr auszugeben.“
In seinen ersten 44 Amtstagen hat Trump die außenpolitischen Spielregeln, die seit 1945 galten, komplett umgeschrieben, einen globalen Handelskrieg durch Zölle auf die größten Handelspartner seines Landes ausgelöst und europäische Führungskräfte gezwungen, ihre Sicherheitsfinanzierung drastisch zu überdenken.
Gleichzeitig stärken China und Europa ihre wirtschaftlichen Positionen. China hat am Mittwoch weitere Stimulierungsmaßnahmen freigegeben und größere Anstrengungen zur Abfederung der Auswirkungen eines eskalierenden US-Handelskriegs versprochen. Nur Stunden zuvor hatte sich die wahrscheinlich nächste deutsche Regierung auf die größte Umgestaltung der Fiskalpolitik seit der Wiedervereinigung des Landes geeinigt – ein fiskalisches „Bazooka-Paket“ im Umfang von 1,2 Billionen Euro.
Währungsmärkte spiegeln veränderte Machtverhältnisse
Der Dollar verliert zunehmend an Attraktivität für internationale Investoren. „Wir waren lange Zeit im Dollar gegen den Euro positioniert und haben diese Position vor über einer Woche geschlossen. Sie hatte an Schwung verloren“, sagt Mark Dowding, Chief Investment Officer im Fixed-Income-Team von RBC BlueBay. „Trumps Verhalten hat die Attraktivität von US-Vermögenswerten im Allgemeinen verringert.“
Der Euro schoss auf ein Vier-Monats-Hoch über 1,07 Dollar, und zahlreiche Banken haben ihre jüngsten Prognosen einer Euro-Dollar-Parität hastig revidiert. Die bullischen Wetten von Investoren auf den Dollar haben sich seit Trumps Amtsantritt im Januar halbiert und liegen nun bei etwa 16 Milliarden Dollar, basierend auf wöchentlichen Daten der Commodity Futures Trading Commission.
Technologischer Wettlauf als Schlüsselfaktor
Ein wesentlicher Treiber des US-Börsenbooms war der Vorsprung im Technologiebereich, insbesondere bei Künstlicher Intelligenz. Nvidia war das Aushängeschild dieser Entwicklung und wurde zu einem der wertvollsten Unternehmen der Welt. Doch Ende Januar erschütterte das vorher unbekannte kostengünstige chinesische KI-Modell DeepSeek die Annahmen über die Kosten und Effizienz im KI-Wettlauf und darüber, wie weit China tatsächlich hinter westlichen Unternehmen liegt.
„Wenn man sich TikTok, Xiaohongshu oder DeepSeek anschaut, expandiert Chinas technologischer Einfluss“, sagt Yang Tingwu, Vizegeneraldirektor des Vermögensverwalters Tongheng Investment. In direkter Reaktion auf den bevorstehenden Verkauf der US-Aktivitäten von TikTok wechseln amerikanische Nutzer rasch zu Xiaohongshu, einer chinesischen Social-Media-Plattform, die auf Englisch als RedNote bekannt ist.
Strukturelle Herausforderungen für die US-Wirtschaft
Während die Trump-Administration ihre Handelspolitik verschärft, kämpft sie gleichzeitig an weiteren innenpolitischen Fronten. Pläne zum massiven Personalabbau in Bundesbehörden sorgen für Unruhe. So berichtete die USA Today, dass das Department of Veterans Affairs (VA) einen Plan zur Kündigung von mindestens 76.000 Mitarbeitern in die Wege geleitet hat – eine Reaktion auf Trumps Direktive der vergangenen Woche, die weitere umfangreiche Kürzungen im Bundesapparat forderte.
Gleichzeitig blockierte ein US-Richter am Mittwoch die Trump-Administration daran, drastische Kürzungen bei Forschungsfördergeldern vorzunehmen. Die geplanten Einschnitte bei den National Institutes of Health (NIH) hätten nach Warnungen von Universitäten und demokratisch geführten Bundesstaaten zu Entlassungen, Laborschließungen und einer Einschränkung wissenschaftlicher und medizinischer Studien geführt.
Ausblick: Taktische oder säkulare Verschiebung?
Experten sind gespalten, ob es sich bei der aktuellen Verschiebung um eine vorübergehende oder langfristige Entwicklung handelt. „Ich denke, es findet ein Wandel statt, wir betrachten es als taktisch versus eine große säkulare Verschiebung“, sagt Nate Thooft, CIO für Multi-Asset Solutions and Global Equities bei Manulife Investment Management, der kürzlich europäische Aktien von stark untergewichtet auf neutral hochgestuft hat.
Der jüngste Fed-Beige-Book-Bericht zeigt eine leicht optimistische Erwartungshaltung für die kommenden Monate, weist aber auf ungleichmäßige wirtschaftliche Aktivität und steigende Unsicherheit hin. Mit 47 Erwähnungen von Unsicherheit – fast dreimal so viele wie im Januar-Bericht – und einer Verdoppelung der Verweise auf Zölle spiegelt der Bericht die wachsende Besorgnis über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Trump-Politik wider.
Für die globalen Finanzmärkte zeichnet sich eine Ära zunehmender Volatilität und regionaler Verschiebungen ab. Während die USA mit den Folgen ihrer protektionistischen Politik kämpfen, positionieren sich Europa und Asien als attraktivere Anlagealternativen. Ob diese Verschiebung von Dauer sein wird, hängt maßgeblich vom weiteren Verlauf des Handelskonflikts und den wirtschaftspolitischen Reaktionen der beteiligten Länder ab.