Die Weltwirtschaft steht am Scheideweg. Während die USA unter Präsident Trump ihre Zollpolitik drastisch verschärft haben, geraten Wirtschaftsmächte wie China und Singapur unter Druck – mit potenziell globalen Auswirkungen. Die am Montag veröffentlichten Wirtschaftsdaten aus Singapur zeigen bereits erste Konsequenzen: Die Zentralbank des Stadtstaates lockerte ihre Geldpolitik zum zweiten Mal in diesem Jahr, während das Wirtschaftsministerium seine Wachstumsprognose für 2025 auf 0% bis 2% senkte – ein deutliches Zeichen für die Besorgnis über die Auswirkungen der US-Zölle.
Handelskrieg eskaliert
Die Zölle, die Trump verhängt hat, haben mittlerweile schwindelerregende Höhen erreicht. Während der US-Präsident vergangene Woche eine 90-tägige Zollpause für Dutzende Länder ankündigte, verschärfte er gleichzeitig den Druck auf China. Die Zölle auf chinesische Importe wurden auf effektiv 145% angehoben. China reagierte prompt und erhöhte seine Zölle auf US-Waren auf 125%. Diese Eskalation hat Märkte weltweit erschüttert und Befürchtungen über einen langwierigen Handelskrieg zwischen den beiden größten Volkswirtschaften geschürt.
Die Folgen könnten verheerend sein. Ray Dalio, Gründer von Bridgewater Associates, warnte bereits, dass die USA "am Rande einer Rezession" stünden. In einem Interview mit NBC bezeichnete er die Zölle als "Steine, die ins Produktionssystem geworfen werden" und verglich die aktuelle Situation mit früheren Finanzschocks wie den Krisen von 1971 und 2008.
Asiatische Wirtschaften unter Druck
Besonders deutlich werden die Auswirkungen in Singapur, das oft als Frühindikator für die globale Wirtschaftsentwicklung gilt. Die Wirtschaft des Stadtstaates wuchs im ersten Quartal 2025 um 3,8% im Vergleich zum Vorjahr – langsamer als die erwarteten 4,2% und deutlich unter den 5% des Vorquartals. Im Quartalsvergleich schrumpfte die Wirtschaft sogar um 0,8%.
Als Reaktion lockerte die Monetary Authority of Singapore (MAS) ihre Geldpolitik, indem sie die Aufwertungsrate ihres Wechselkursbandes leicht reduzierte. "Die Wachstumsaussichten von Volkswirtschaften in unserer Region werden durch einen Rückgang der externen Nachfrage negativ beeinflusst, teilweise aufgrund der umfassenderen Auswirkungen der Zölle auf den Welthandel und das Wachstum", erklärte das Handelsministerium.
Auch China bekommt die Auswirkungen zu spüren. Laut einer Reuters-Umfrage unter 57 Ökonomen wird das chinesische BIP-Wachstum im ersten Quartal voraussichtlich auf 5,1% sinken, verglichen mit 5,4% im Vorquartal. Für das Gesamtjahr 2025 wird ein Wachstum von nur 4,5% erwartet – deutlich unter dem offiziellen Ziel von "etwa 5%". Diese Prognose könnte sich angesichts der massiven US-Zölle noch weiter verschlechtern.
Die Rating-Agentur Fitch hat bereits reagiert und Chinas Kreditwürdigkeit herabgestuft. Als Begründung nannte sie die rapide steigende Staatsverschuldung und Risiken für die öffentlichen Finanzen – ein Hinweis auf den schwierigen Balanceakt für politische Entscheidungsträger, die den Konsum ankurbeln wollen, um einem Handelsabschwung entgegenzuwirken.
Japan im Visier
Auch Japan gerät zunehmend unter Druck. Die japanische Regierung bereitet sich auf schwierige Handelsgespräche mit den USA vor. Premierminister Shigeru Ishiba hat eine Taskforce eingerichtet, die von seinem engen Vertrauten und Wirtschaftsminister Ryosei Akazawa geleitet wird. Dieser wird voraussichtlich nächste Woche Washington besuchen.
Besonders brisant: Es wird erwartet, dass die USA in den Verhandlungen auch die japanische Währungspolitik und den langsamen Zinserhöhungskurs der Bank of Japan ansprechen werden. Der schwache Yen, der japanischen Exporteuren einen Wettbewerbsvorteil verschafft, ist Trump seit langem ein Dorn im Auge. Insider berichten, dass Washington auf eine Aufwertung des Yen drängen könnte, um US-Herstellern einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
Japans Wirtschaft steht damit vor einem doppelten Druck: Einerseits die Zölle – auch wenn der "reziproke" Zoll auf Japan während der 90-tägigen Pause von 24% auf 10% gesenkt wurde – andererseits mögliche Forderungen nach einer Anpassung der Geld- und Währungspolitik.
Fehlen einer kohärenten Strategie
Kritiker bemängeln, dass die US-Zollpolitik ohne eine umfassendere industriepolitische Strategie umgesetzt wird. Die Investmentfirma Muddy Waters Research warnt, dass die aktuellen hohen Zölle ohne eine nationale Industriestrategie mehr schaden als nutzen könnten. Sie vergleicht den US-Ansatz mit dem Schwingen eines Hammers gegen ein strukturelles Problem, das eigentlich Baupläne und Gerüste benötigen würde.
Im Gegensatz dazu habe China seinen Aufstieg zur Produktionsmacht auf einem umfassenden Industrieplan aufgebaut, nicht nur auf Strafzöllen. Peking setzte gezielte Steueranreize ein, reduzierte Bürokratie in speziellen Wirtschaftszonen und investierte massiv in Infrastruktur und Energieerzeugung.
Die USA hätten dagegen kaum gezielte industrielle Unterstützung geleistet, so Muddy Waters. Der CHIPS Act sei zwar ein positiver, aber unzureichender Schritt. Die Firma bezeichnet Zölle auf Länder wie Vietnam und Kambodscha als "wirtschaftliches Theater", das nur die Preise für US-Verbraucher erhöhen werde. "Versuchen wir, die Produktion von Turnschuhen und T-Shirts nach Ohio zurückzubringen?", fragt die Firma rhetorisch. "Das ist einfach dumm."
Globale Implikationen
Die Auswirkungen des Handelskriegs erstrecken sich weit über die direkten Zolleffekte hinaus. Finanzmärkte weltweit passen ihre Erwartungen an, wobei einige positive Nebeneffekte zu beobachten sind. In Großbritannien beispielsweise stiegen die Angebotspreise für Immobilien im April um 1,3% im Vergleich zum Vorjahr, wie die Immobilienwebsite Rightmove berichtete. Der durchschnittliche Preis für inserierte Häuser und Wohnungen erreichte mit 377.182 Pfund einen neuen Rekordwert.
Rightmove merkte an, dass die Auswirkungen von Trumps Zollpolitik noch nicht klar seien, aber dass sie den Markt ankurbeln könnten, wenn sie die Bank of England zu schnelleren Zinssenkungen veranlassen würde. Die Finanzmärkte rechneten am Freitag mit etwa drei Viertelpunkt-Zinssenkungen in diesem Jahr, verglichen mit zwei vor den Zollankündigungen.
Auch die politische Landschaft wird beeinflusst. In Australien hat sich die Stimmung für die regierende Labor-Partei unter Premierminister Anthony Albanese verbessert, nachdem die Märkte von den US-Zollplänen erschüttert wurden. Eine aktuelle Newspoll-Umfrage für The Australian zeigt, dass Labor bei der anstehenden Wahl am 3. Mai eine knappe Mehrheit erhalten könnte – eine Umkehr der Stimmung vom Februar, als die Wähler die Partei aus dem Amt drängen wollten.
Die USA, die einen Handelsüberschuss mit ihrem Verbündeten Australien genießen, haben einen "reziproken" Zoll von 10% verhängt, was Albanese als "keinen freundschaftlichen Akt" bezeichnete. Trotz der jüngsten Verbesserung in den Umfragewerten dämpft Albanese jedoch die Erwartungen: "Wir haben einen Berg zu erklimmen. Es ist schwer, eine Wahl zu gewinnen, wenn man sich in der Welt umschaut, ist es eine schwierige Zeit, in der Regierung zu sein, aufgrund der globalen Inflation."
Ausblick und Herausforderungen
Die Weltwirtschaft steht vor einer entscheidenden Phase. Die USA haben durch ihre Zollpolitik erhebliche Verwerfungen ausgelöst, ohne eine klare langfristige Strategie zu kommunizieren. China reagiert mit Vergeltungsmaßnahmen, während andere Länder wie Singapur und Japan ihre Geldpolitik anpassen müssen, um die wirtschaftlichen Auswirkungen abzufedern.
Experten wie Ray Dalio sehen nicht nur die Gefahr einer Rezession, sondern warnen auch vor tiefgreifenden Veränderungen in der Weltordnung. "Wenn Sie Zölle nehmen, wenn Sie Schulden nehmen, wenn Sie die aufstrebende Macht nehmen, die die bestehende Macht herausfordert… wie das gehandhabt wird, könnte etwas hervorbringen, das viel schlimmer ist als eine Rezession", sagte er.
Die kommenden Monate werden zeigen, ob die globale Wirtschaft diese Belastungsprobe besteht oder ob die pessimistischeren Prognosen eintreten. Klar ist: Der von den USA initiierte Handelskrieg hat bereits jetzt erhebliche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft – und das Ende ist noch nicht in Sicht.