Handelskonflikte und Inflation: Notenbanken zwischen Zinssenkungen und Tarifspirale
Währungshüter reagieren weltweit auf eskalierende Handelsbarrieren zwischen Nordamerika und Europa, während Inflationsdruck und Wachstumssorgen neue Herausforderungen schaffen.

- Kanadas Zentralbank senkt Leitzins als Schutzmaßnahme
- EU verhängt Gegenzölle auf US-Produkte
- Diplomatische Gespräche zur Konfliktentschärfung laufen
- Energiemärkte zeigen unerwartete Entwicklungen
Die globalen Finanzmärkte befinden sich im März 2025 an einem kritischen Wendepunkt, da Handelskonflikte und geldpolitische Entscheidungen weltweit für Turbulenzen sorgen. Die Bank of Canada (BoC) senkte gestern ihren Leitzins um 25 Basispunkte auf 2,75% – die siebte Zinssenkung in Folge – um die kanadische Wirtschaft gegen die Auswirkungen der US-Zölle zu wappnen. Gleichzeitig warnt die Zentralbank vor einem „neuen Krisenszenario“, das durch die eskalierenden Handelsstreitigkeiten mit den USA ausgelöst wird.
US-Zölle und ihre globalen Auswirkungen
„Wir haben 2024 auf einer soliden wirtschaftlichen Grundlage abgeschlossen. Aber jetzt stehen wir vor einer neuen Krise“, erklärte BoC-Gouverneur Tiff Macklem bei einer Pressekonferenz. Besonders besorgniserregend für Kanada ist die Tatsache, dass die USA rund 75% aller kanadischen Exporte abnehmen. Die von Präsident Donald Trump angekündigten Zölle auf Stahl und Aluminium sind bereits in Kraft getreten, während weitere Zölle von 25% auf andere aus Kanada importierte Waren ab dem 2. April folgen sollen.
Die Europäische Union kündigte ihrerseits an, Zölle auf US-amerikanische Waren im Wert von 26 Milliarden Euro zu erheben. Besonders hart trifft es die Spirituosenbranche: Die EU wird die ausgesetzten Zölle auf Bourbon-Whiskey wieder einführen und den Satz auf 50% verdoppeln, wie Ulrich Adam, Generaldirektor des Branchenverbands spiritsEurope, mitteilte. Die Spirituosenindustrie, die bereits mit einem starken Umsatzrückgang nach dem Post-COVID-Boom kämpft, bezeichnet die Zölle als „verheerend“ für Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks.
Notenbanken in der Zwickmühle
Die Bank of Canada steht vor einer besonders schwierigen Aufgabe. „Die geldpolitischen Maßnahmen können die Auswirkungen eines Handelskriegs nicht ausgleichen. Was sie aber tun müssen, ist sicherzustellen, dass höhere Preise nicht zu anhaltender Inflation führen“, betonte Macklem. Die Zentralbank prognostiziert, dass die Inflation in Kanada im März auf etwa 2,5% steigen wird, verglichen mit 1,9% im Januar, teilweise aufgrund des Auslaufens einer befristeten Umsatzsteuerermäßigung.
Diese komplexe Situation stellt die Notenbanker vor ein Dilemma: Einerseits drohen die Zölle das Wirtschaftswachstum zu bremsen, andererseits könnten sie die Inflation anheizen. Nach der Zinsentscheidung gewann der kanadische Dollar an Wert und wurde 0,20% stärker bei 1,4403 zum US-Dollar gehandelt, während die Renditen zweijähriger Staatsanleihen um 0,8 Basispunkte auf 2,521% fielen.
In den USA zeigen die jüngsten Inflationsdaten eine leichte Entspannung. Der Verbraucherpreisindex stieg im Februar um 0,2% nach einem Anstieg von 0,5% im Januar. Die Jahresinflation sank auf 2,8% von zuvor 3,0%. Diese Verbesserung könnte jedoch nur vorübergehend sein, da die aggressiven Zölle auf Importe die Kosten für die meisten Waren in den kommenden Monaten voraussichtlich erhöhen werden.
Diplomatische Bemühungen zur Deeskalation
Trotz der angespannten Lage gibt es Anzeichen für diplomatische Lösungsversuche. US-Handelsminister Howard Lutnick bestätigte seine Absicht, mit Kanada über verschiedene Handelsfragen zu verhandeln. Nach einem Gespräch mit dem Premierminister von Ontario, Doug Ford, wurde eine geplante 25%ige Zusatzgebühr auf Stromexporte in die USA vorübergehend ausgesetzt. Ford zitierte: „Wir haben beide vereinbart, kühlere Köpfe walten zu lassen.“
Lutnick erklärte, dass die Autozölle ab dem 2. April umgesetzt werden sollen, deutete aber auch die Möglichkeit an, Zölle zu senken, wenn andere Länder entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen. Die beiden Seiten vereinbarten ein Treffen in Washington, D.C., um über ein erneuertes Handelsabkommen zwischen den USA, Mexiko und Kanada zu diskutieren.
Es bleibt abzuwarten, wie der designierte kanadische Premierminister Mark Carney, der Justin Trudeau ablösen wird, mit den Handelsverhandlungen mit Washington umgehen wird. Laut Analysten von BofA hat Carney bereits angedeutet, dass er weiterhin auf US-Zölle reagieren und die Erlöse nutzen will, um betroffene Arbeitnehmer zu unterstützen, während er gleichzeitig neue Märkte für kanadische Exporte erschließen möchte.
Rohölmärkte und globale Lieferketten
Inmitten der handelspolitischen Spannungen zeigt der Energiemarkt ebenfalls bedeutsame Entwicklungen. Die Energy Information Administration (EIA) meldete einen Anstieg der von US-Unternehmen gehaltenen Rohölvorräte um 1,448 Millionen Barrel, was unter der Prognose von 2,100 Millionen Barrel liegt. Dieser geringere als erwartete Anstieg deutet auf eine stärkere Nachfrage nach Rohöl hin, was in der Regel bullish für die Ölpreise ist.
Die Höhe der Rohölbestände ist ein wichtiger Faktor, der die Preise von Erdölprodukten beeinflusst. Ein höher als erwarteter Anstieg der Bestände kann auf eine schwächere Nachfrage hindeuten, was bearish für die Ölpreise ist. Umgekehrt kann ein geringerer als erwarteter Anstieg oder ein größerer als erwarteter Rückgang auf eine stärkere Nachfrage hindeuten und höhere Preise unterstützen.
Ausblick und Erwartungen
Die US-Notenbank Fed wird voraussichtlich ihren Leitzins in der nächsten Woche unverändert im Bereich von 4,25%-4,50% belassen. Die Finanzmärkte erwarten jedoch, dass die Fed im Juni ihre Zinssenkungen wieder aufnehmen wird, nachdem sie im Januar eine Pause eingelegt hatte. Der Leitzins wurde seit September um 100 Basispunkte gesenkt.
Gleichzeitig führt die Unsicherheit im Handel zu einer vorsichtigen Haltung bei internationalen Organisationen. Die Vereinten Nationen, die in diesem Jahr ihr 80-jähriges Bestehen feiern, stehen vor einer Liquiditätskrise und suchen nach Wegen, ihre Effizienz zu verbessern und Kosten zu senken. Die beiden größten Beitragszahler zum regulären Haushalt sind die USA und China, wobei Washington mit 22% den Höchstbetrag zahlt, während Pekings Beitrag in diesem Jahr um 5% auf 20% gestiegen ist.
Die kommenden Wochen und Monate werden entscheidend sein, um zu sehen, ob die diplomatischen Bemühungen Früchte tragen oder ob die Welt in eine vollständige Handelskonfrontation abrutscht, die das globale Wirtschaftswachstum gefährden könnte. Für Anleger und Wirtschaftsteilnehmer bedeutet dies eine Phase erhöhter Volatilität und Unsicherheit, in der geldpolitische Entscheidungen und handelspolitische Entwicklungen genau beobachtet werden müssen.