Globale Märkte: Tarif-Chaos hält an

Investoren flüchten in sichere Anlagen während US-China Handelskonflikt eskaliert. Wirtschaftliche Auswirkungen erreichen Japan und Europa trotz temporärer Zollerleichterungen.

Kurz zusammengefasst:
  • Extreme Volatilität an internationalen Börsen
  • Goldpreis erreicht historisches Maximum
  • China sucht strategische Handelspartner
  • Wachstumsprognosen weltweit nach unten korrigiert

Der von US-Präsident Donald Trump angeordnete 90-Tage-Aufschub für einige seiner angekündigten Zölle hat den Märkten nur eine kurze Verschnaufpause gegönnt. Nach einem historischen Anstieg des S&P 500 um fast 10% – der größten Tagesrally seit Oktober 2008 – folgte ein ernüchternder Absturz von über 3% am Folgetag. Die Volatilität bleibt ein ständiger Begleiter, während Anleger sich mit einer neuen Ära der Unsicherheit im Welthandel arrangieren müssen.

Anleger suchen sicheren Hafen

Die drastischen Marktschwankungen verdeutlichen, dass die Zeit stetiger Kursgewinne an den US-Börsen vorbei ist. "Es scheint sehr klar, dass der reibungslose langfristige Aufwärtstrend für US-Aktien gebrochen ist und wir uns in einer neuen Ära erhöhter Volatilität und Unsicherheit befinden", erklärte Guy Miller, Chefstratege der Zurich Insurance Group.

Investoren flüchten vermehrt in sichere Anlagehäfen. Der Goldpreis erreichte mit 3.171,49 Dollar pro Unze ein neues Allzeithoch, während der Schweizer Franken gegenüber dem US-Dollar auf ein 10-Jahres-Hoch kletterte. Die Schwäche des Dollars und der vorherige Ausverkauf bei US-Staatsanleihen deuten auf ein erschüttertes Vertrauen in die größte Volkswirtschaft der Welt hin.

"Die Volatilität ist noch nicht vorbei, das Umfeld bleibt unsicher und einige der Auswirkungen sind irreversibel", warnte Sat Duhra, Portfoliomanager bei Janus Henderson Investors in Singapur. "Wir müssen uns an mehr Hin und Her in dieser Angelegenheit gewöhnen."

China baut Allianzen gegen US-Zollpolitik

Während Trump die geplanten Vergeltungszölle für viele Länder vorübergehend zurücknahm, verschärfte er gleichzeitig den Handelskrieg mit China. Die Zölle für chinesische Importe wurden auf insgesamt 145% erhöht – ein beispielloser Wert, der die Spannungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt auf ein neues Niveau hebt.

Peking reagiert nicht nur mit eigenen Vergeltungsmaßnahmen, sondern sucht auch strategische Partner. Der chinesische Handelsminister Wang Wentao führte Gespräche mit seinen Amtskollegen aus Saudi-Arabien und Südafrika, um Möglichkeiten einer gemeinsamen Antwort auf die US-amerikanischen Zölle zu erörtern. China versucht dabei, seine Beziehungen zu wichtigen Partnern innerhalb des Golf-Kooperationsrates zu stärken und die Rolle der G20 und BRICS-Staaten als Gegengewicht zu nutzen.

Analysten befürchten eine weitere Eskalation. "Eine Sache, die mir schlaflose Nächte bereitet, ist, dass ein Handelskrieg zu einem Finanzkrieg eskalieren könnte", sagte Vasileios Gkionakis, leitender Ökonom bei Aviva Investors. Als zweitgrößter ausländischer Halter amerikanischer Staatsanleihen könnte China seine Treasuries abstoßen – ein Prozess, der in den offiziellen Zahlen erst mit Verzögerung sichtbar werden würde.

Wirtschaftliche Kollateralschäden nehmen zu

Die Auswirkungen der Handelsspannungen treffen auch unbeteiligte Drittstaaten. Citigroup hat ihre Wachstumsprognose für Japan deutlich nach unten korrigiert – von 1,4% auf 0,9% für 2025. Obwohl Japan von Trumps 24%-Zoll vorerst verschont bleibt, werden die universellen 10%-Zölle sowie die hohen Automobilzölle von 25% das exportabhängige Land belasten.

Zudem verschiebt sich der Zeitplan für die japanische Geldpolitik. Die Bank of Japan wird nach Einschätzung von Citi ihre Zinsen erst im März 2026 anheben und nicht wie bisher erwartet im Juni 2025. Die wirtschaftlichen Verflechtungen sorgen dafür, dass selbst Länder ohne direkte Handelskonflikte mit den USA unter den Auswirkungen leiden.

Auch in Großbritannien zeigen sich Anzeichen einer Abschwächung. Laut einer Umfrage des Recruitment and Employment Confederation stieg die Zahl der Arbeitssuchenden im März so stark an wie seit 2020 nicht mehr, während Unternehmen vorsichtiger bei Neueinstellungen werden. Neil Carberry, Geschäftsführer des REC, warnte: "Die kurzfristigen Aussichten wurden durch die Maßnahmen der US-Regierung, die das globale Handelssystem auf den Kopf stellen, noch ungewisser."

Trump-Administration: Zwischen Handelskrieg und Haushaltskürzungen

Parallel zum internationalen Handelsdisput treibt die Trump-Administration innenpolitisch radikale Kürzungen voran. Das Bildungsministerium stoppte überraschend mehr als 1,1 Milliarden Dollar an COVID-Hilfsgeldern für Grundschulen und weiterführende Schulen. Diese Mittel waren eigentlich bis März 2026 zugesagt und bereits für Nachhilfeprogramme, Gebäudesanierungen und Hilfen für obdachlose Schüler eingeplant.

"Der neueste Angriff der Trump-Administration auf unsere Schulen wird unseren verwundbarsten Schülern schaden", kritisierte New Yorks Generalstaatsanwältin Letitia James, die gemeinsam mit anderen demokratischen Generalstaatsanwälten gegen die Entscheidung klagt.

Auch Bundesbehörden wie die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) entlassen nach einer vorübergehenden Wiedereinstellung zahlreiche Beschäftigte, nachdem ein Berufungsgericht am 9. April den Weg für Massenentlassungen freigemacht hatte. Die Maßnahmen spiegeln Trumps Versprechen wider, Bundesbehörden drastisch zu verkleinern – ein Vorhaben, das er mit dem Milliardär Elon Musk vorantreibt.

Diplomatische Initiativen mit ausgewählten Partnern

Während die Beziehungen zu China und vielen traditionellen Verbündeten angespannt bleiben, sucht die US-Regierung enge Beziehungen zu ideologisch nahestehenden Ländern. US-Finanzminister Scott Bessent plant einen Besuch in Argentinien, um Präsident Javier Milei zu treffen – einen erklärten Bewunderer Trumps, der bereits kurz nach der US-Wahl zu einem frühen Besuch in Trumps Anwesen Mar-a-Lago eingeladen wurde.

Milei hatte Trump bei einer Konferenz nahe Washington im Februar sogar seine charakteristische Kettensäge geschenkt – ein Symbol für die radikalen Kürzungen, die beide Politiker anstreben. Das US-Finanzministerium lobte in einer Erklärung, Milei "habe Argentinien vom wirtschaftlichen Abgrund zurückgeholt" und bekräftigte die "feste Unterstützung der USA für die weitere Umsetzung von Mileis Agenda für Wirtschaftsreformen".

Die Reise findet unmittelbar nach der erwarteten Genehmigung eines neuen 20-Milliarden-Dollar-Kredits des Internationalen Währungsfonds (IWF) für Argentinien statt. Als Finanzminister verwaltet Bessent den dominierenden US-Anteil am IWF und der Weltbank – ein Hebel amerikanischer Wirtschaftsmacht.

Ausblick: Anhaltende Unsicherheit

Trotz der kurzfristigen Erleichterung nach Trumps Zoll-Aufschub bleibt der Ausblick unsicher. Mark Haefele, Anlagechef bei UBS Global Wealth Management, betonte, die Markterholung sei eine Gelegenheit, sich auf eine wahrscheinlich volatile Periode einzustellen, insbesondere angesichts einer Eskalation der Handelsspannungen zwischen den USA und China.

Banken erwarten weiterhin eine deutliche Verlangsamung des Wirtschaftswachstums, da die Unsicherheit um Handelszölle das Vertrauen von Verbrauchern und Unternehmen belastet. Die wichtigsten Indikatoren für Aktien- und Anleihenmarktvolatilität bleiben deutlich über dem Niveau von vor Trumps Zollankündigung.

"Die Erkenntnis ist, dass wir zwar gestern gute Nachrichten erhalten haben, aber immer noch in einer Welt mit neuer Unsicherheit leben müssen", fasste Art Hogan, Chefmarktstratege bei B Riley Wealth, die Situation zusammen. Für globale Investoren heißt es daher: Anschnallen für weitere Turbulenzen.

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