EZB senkt Zinsen, während globale Finanzlandschaft von Handelskonflikten geprägt wird
Die Europäische Zentralbank reduziert den Einlagensatz auf 2,5 Prozent, während Deutschlands Fiskalpläne und US-Handelspolitik den Wirtschaftsausblick beeinflussen.

- Währungshüter signalisieren vorsichtigere Zinspolitik
- Berlins Infrastrukturfonds beeinflusst Anleiherenditen
- Trumps Zollpolitik belastet Märkte
- Wachstumsprognosen nach unten korrigiert
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag erneut die Zinsen gesenkt, während sich die globale Finanzlandschaft inmitten wachsender handelspolitischer Spannungen und fundamentaler fiskalischer Veränderungen in Europa neu formiert. Die sechste Zinssenkung seit Juni letzten Jahres reduzierte den Einlagensatz auf 2,5 Prozent, doch die Aussichten für weitere Lockerungen sind unklarer als noch vor wenigen Wochen.
Geldpolitik im Zeichen wachsender Unsicherheit
EZB-Präsidentin Christine Lagarde bezeichnete die aktuelle Situation als von „phänomenaler Unsicherheit“ geprägt. Die Zentralbank änderte ihre Kommunikation subtil, aber bedeutsam: Die Geldpolitik sei jetzt „merklich weniger restriktiv“ anstatt nur „restriktiv“. Diese Formulierungsänderung signalisiert eine möglicherweise vorsichtigere Herangehensweise bei künftigen Zinsentscheidungen.
Während Marktteilnehmer bisher von kontinuierlichen Zinssenkungen ausgingen, deuten interne Quellen der EZB nun auf eine mögliche Zinspause im April hin, bevor der Lockerungskurs fortgesetzt wird. Die Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung im April wird an den Märkten mittlerweile mit weniger als 50 Prozent eingeschätzt – ein deutlicher Rückgang gegenüber den über 60 Prozent in der Vorwoche.
Die dänische Zentralbank folgte dem Schritt der EZB und senkte ihren Leitzins ebenfalls um 25 Basispunkte auf 2,10 Prozent, um die Krone stabil gegenüber dem Euro zu halten.
Deutschlands fiskalische Revolution und ihre Auswirkungen
Ein entscheidender Faktor für die veränderte Zinsperspektive ist die tektonische Verschiebung in der deutschen Fiskalpolitik. Die nächste Koalition in Berlin plant einen 500-Milliarden-Euro-Infrastrukturfonds und eine umfassende Reform der Kreditaufnahmeregeln, teilweise zur Steigerung der Verteidigungsausgaben. Diese Ankündigung hat die Renditen deutscher Staatsanleihen in die Höhe getrieben – sie steuern auf ihren größten Wochenanstieg seit den frühen 1990er Jahren zu.
Die fiskalische Expansion könnte die europäische Wirtschaft ankurbeln, birgt jedoch auch inflationäre Risiken. Ein wichtiger Marktindikator für Inflationserwartungen ist auf etwa 2,22 Prozent gestiegen und verzeichnete am Mittwoch den größten Tagessprung seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2013.
„Wenn man so viel Geld in eine Wirtschaft pumpt, wird das einen erheblichen Unterschied machen. Es bedeutet auch, dass die Inflation höher sein wird“, erklärte Mark Dowding, Chief Investment Officer bei RBC BlueBay Asset Management.
Die EZB hat ihre Wachstumsprognose für 2025 zum vierten Mal in Folge gesenkt und erwartet nun ein Wirtschaftswachstum von nur 0,9 Prozent, was kaum über dem Tempo von 0,7 Prozent im Jahr 2024 liegt. Die Inflationsprognose für 2025 wurde jedoch auf 2,3 Prozent angehoben, verglichen mit 2,1 Prozent in der Dezember-Prognose.
Handelsspannungen überschatten Marktaussichten
Parallel zur europäischen Geldpolitik sorgen die von US-Präsident Donald Trump verhängten Zölle für anhaltende Marktturbulenzen. Trump hatte am Dienstag 25-prozentige US-Zölle auf Importe aus Mexiko und Kanada sowie neue Abgaben auf chinesische Waren eingeführt.
Am Donnerstag kündigte Trump jedoch eine Ausnahmeregelung an: Mexiko muss bis zum 2. April keine Zölle auf Waren zahlen, die unter das Freihandelsabkommen zwischen den USA, Mexiko und Kanada (USMCA) fallen. Diese Entwicklung folgte einem Telefonat mit der mexikanischen Präsidentin Claudia Sheinbaum, das sie als „exzellent und respektvoll“ bezeichnete. Beide Seiten vereinbarten, bei Sicherheits- und Migrationsfragen zusammenzuarbeiten, wobei besonders die Eindämmung des Fentanyl-Schmuggels in die USA im Fokus steht.
Für Kanada wurde eine ähnliche Ausnahme in Aussicht gestellt, jedoch noch nicht offiziell verkündet. US-Handelsminister Howard Lutnick deutete an, dass weitere Produkte von den Zöllen ausgenommen werden könnten.
US-Wirtschaft und Regierungsgeschäfte unter Druck
In den USA könnte es ab dem 14. März zu einem teilweisen Regierungsstillstand kommen, wenn der Kongress keine detaillierte Ausgabengesetzgebung verabschiedet. Die aktuellen Übergangsfinanzierungen laufen am Freitag aus, und ohne eine Einigung würden große Teile der US-Regierung den Betrieb einstellen müssen.
Der Streit zwischen Demokraten und Republikanern wird dieses Mal durch Trumps beispiellose Bemühungen verkompliziert, die Regierung zu verkleinern. Trump hat mindestens 25.000 Bundesbedienstete entlassen und Behörden angewiesen, sich auf weitere Entlassungen vorzubereiten. Demokraten argumentieren, dass Trump damit Gesetze verletzt, die den Präsidenten verpflichten, vom Kongress festgelegte Ausgabenniveaus einzuhalten.
Ein Shutdown könnte das Wirtschaftswachstum pro Woche um etwa 0,15 Prozentpunkte reduzieren, so eine Schätzung von Goldman Sachs. Nach Beendigung eines Shutdowns würde das Wachstum allerdings um den gleichen Betrag ansteigen.
Finanzmarktreaktionen und Ausblick
An den globalen Finanzmärkten zeigten sich am Donnerstag gemischte Reaktionen. Der Euro erreichte ein Vier-Monats-Hoch von 1,0854 Dollar. Die Aktienmärkte gerieten unter Druck: Der Dow Jones fiel um 0,80 Prozent, der S&P 500 um 1,35 Prozent und der Nasdaq Composite um 1,74 Prozent.
Die Märkte versuchen weiterhin, die Auswirkungen der US-Zölle auf Inflation und Wachstum einzuschätzen. „Die Anleger fürchten die Folgen der ergriffenen Maßnahmen, aber wir wissen noch nicht, welche das sind“, erklärte Oliver Pursche, Senior Vice President bei Wealthspire Advisors.
US-Finanzminister Scott Bessent verteidigte die Zollpolitik: „Zu lange haben die Architekten multilateraler Handelsabkommen dies aus den Augen verloren. Internationale Wirtschaftsbeziehungen, die nicht für das amerikanische Volk funktionieren, müssen überprüft werden.“ Die Zölle seien dazu gedacht, gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.
Patrick Harker, Präsident der Federal Reserve Bank of Philadelphia, äußerte unterdessen Bedenken hinsichtlich der Wirtschaftsaussichten und Inflationsrisiken in den USA. Während die Wirtschaft noch zu wachsen scheine und die Arbeitslosigkeit niedrig sei, beginne das Vertrauen sowohl bei Verbrauchern als auch bei Unternehmen zu schwinden. Harker zeigte sich besorgt, dass der Trend zur Disinflation gefährdet sein könnte.
Stagflationssorgen und strukturelle Veränderungen
Die aktuelle Kombination aus Wachstumssorgen und möglichem Inflationsdruck hat Stagflationsängste in den Vordergrund gerückt. Einige Ökonomen halten diese Befürchtungen jedoch für übertrieben, da es wenig Anzeichen für eine bedeutende Stagnation der Wirtschaft oder eine Entkopplung der Inflationserwartungen gebe.
Der monatliche US-Arbeitsmarktbericht am Freitag wird weitere Einblicke in den Zustand der Wirtschaft liefern. Goldman Sachs prognostiziert einen Anstieg der Beschäftigung um 170.000 im Februar, wobei jedoch ein Rückgang um 10.000 durch Entlassungen und Einstellungsstopps in der Bundesregierung sowie ein Minus von 5.000 durch Streiks erwartet wird.
Die nächsten Wochen und Monate dürften von anhaltender Unsicherheit geprägt sein, da Märkte und politische Entscheidungsträger versuchen, die komplexe Wechselwirkung zwischen Handelspolitik, Fiskalpolitik und Geldpolitik zu navigieren. Die EZB steht vor der Herausforderung, ihren Kurs angesichts dieser „phänomenalen Unsicherheit“ anzupassen und gleichzeitig ihr Inflationsziel von 2 Prozent zu verfolgen, das sie laut aktualisierter Prognose erst im ersten Quartal 2026 erreichen wird.