Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag eine neue Phase ihrer Geldpolitik eingeläutet und die Leitzinsen erstmals seit Beginn der Zinserhöhungen um 25 Basispunkte gesenkt. Der Einlagensatz, der als wichtigster Leitzins gilt, fällt damit von 3,0 auf 2,75 Prozent. Die Entscheidung markiert einen bedeutenden Wendepunkt in der europäischen Geldpolitik, während die US-Notenbank Fed zeitgleich an ihrem restriktiven Kurs festhält.
Inflationsdruck lässt nach
Die EZB zeigt sich zuversichtlich, dass der Kampf gegen die Inflation auf einem guten Weg ist. „Der Disinflationsprozess verläuft planmäßig“, betonte die Zentralbank in ihrer Erklärung. Während die Inflation im Dienstleistungssektor weiterhin erhöht bleibt, deutet die Entwicklung der Lohnkosten auf eine graduelle Entspannung hin. Die Notenbank erwartet, dass die Inflation im Laufe des Jahres auf das mittelfristige Ziel von 2 Prozent zurückkehren wird.
Wirtschaftliche Herausforderungen
Die Konjunktur im Euroraum zeigt sich weiterhin schwach. Besonders die großen Volkswirtschaften kämpfen mit Wachstumsproblemen: Deutschland und Frankreich verzeichneten im letzten Quartal Rückgänge, während Italien stagnierte. Einzig Spanien konnte unter den großen Euroländern ein positives Wachstum vorweisen. Diese wirtschaftliche Schwäche war ein entscheidender Faktor für die Zinssenkung.
Divergenz zur US-Geldpolitik
Die unterschiedliche geldpolitische Ausrichtung diesseits und jenseits des Atlantiks wird immer deutlicher. Während die EZB die Zinswende einleitet, signalisierte die US-Notenbank Fed bei ihrer jüngsten Sitzung eine längere Phase stabiler Zinsen. Diese divergierende Entwicklung könnte die Märkte in den kommenden Monaten prägen.
Finanzmarktreaktionen
Die Finanzmärkte reagierten gelassen auf die erwartete Zinssenkung. Der Euro notierte nach der Entscheidung bei 1,0403 Dollar, weitgehend unverändert zum Vortagesniveau. Die Rendite zehnjähriger deutscher Bundesanleihen sank um 6 Basispunkte auf 2,51 Prozent. Der europäische Aktienindex STOXX 600 bewegte sich nahe seinem Rekordhoch.
Ausblick und Risiken
Die EZB hält sich weitere Zinssenkungen offen, betont aber einen datenabhängigen Ansatz. Für 2025 rechnen Marktteilnehmer mit drei bis vier weiteren Zinssenkungen. Als Risikofaktoren gelten besonders die geopolitischen Spannungen und mögliche Handelskonflikte. Die angekündigte protektionistische Handelspolitik der USA könnte das Wachstum zusätzlich belasten und die Inflation durch mögliche Vergeltungsmaßnahmen der EU wieder anfachen.
Implikationen für Verbraucher und Unternehmen
Die Zinssenkung dürfte schrittweise zu günstigeren Kreditkonditionen für Unternehmen und Haushalte führen. Allerdings bleiben die Finanzierungsbedingungen vorerst restriktiv, da sich frühere Zinserhöhungen noch im Kreditbestand auswirken und bei der Refinanzierung bestehender Kredite höhere Zinsen anfallen.
Die EZB steht vor der Herausforderung, die Balance zwischen Inflationsbekämpfung und Wachstumsunterstützung zu wahren. Währenddessen bereitet sich die Eurozone auf eine Phase moderaterer Zinsen vor, die das Wirtschaftswachstum stimulieren soll, ohne die erreichten Fortschritte bei der Inflationsbekämpfung zu gefährden.