China und USA scheinen abgehakt – kommt jetzt die EU?
von Sven Weisenhaus
Gerade erst sind die „reziproken“ Zölle von US-Präsident Donald Trump in Kraft getreten, da dreht sich die Eskalationsspirale schon wieder ein Stück weiter. Unter anderem wurden gestern auch die massive US-Zölle in Höhe von inzwischen 104 % auf chinesische Warenimporte umgesetzt, prompt verkündete China eine Anhebung seiner Vergeltungszölle – von 34 % auf 84 %. Die neuen Abgaben auf US-amerikanische Importe sollen demnach ab dem heutigen 10. April gelten.
In diesem Fall machen höhere Zölle kaum noch Unterschied
Die Reaktion der Börsen war gestern deutlich sichtbar – mit wieder einmal fallenden Kursen an den Aktienmärkten – aber dennoch relativ verhalten. Es wurden keine neuen Korrekturtiefs erreicht. Ein Grund kann darin liegen, dass es inzwischen keinen Unterschied mehr macht, wenn die Zölle zwischen China und den USA noch weiter steigen.
Das Handelsblatt berichtet, dass für die Volksrepublik Zölle von 104 % kaum schlimmer seien als von 34 %. Denn viele chinesische Exporte in die USA haben einer Analyse der Ratingagentur S&P zufolge eine Gewinnspanne von rund 30 %. Und daher machen bereits Zölle von 34 % den US-Markt für die meisten chinesischen Exporteure unattraktiv.
Wie das Handelsblatt weiter schreibt, exportierten chinesische Unternehmen Im vergangenen Jahr Waren im Rekordwert von insgesamt 3,6 Billionen US-Dollar. Davon gingen 525 Milliarden Dollar in die USA, die somit bisher der größte Handelspartner waren. Fällt dieser nun weitgehend aus, könnte dies das chinesische Wirtschaftswachstum laut Handelsblatt halbieren. Und diese verheerende Entwicklung wurde bereits durch crashartige Einbrüche in den Kursen eingepreist.
Folgt als nächstes die Eskalation zwischen USA und EU?
Was jetzt zu noch tieferen Kursen führen könnte, wäre eine Eskalation zwischen den USA und der EU. Von der Europäischen Kommission war am Montag zu hören, sie habe der US-Administration ein „Null-zu-Null“-Zollabkommen angeboten, um einen Handelskrieg abzuwenden. Doch Trump lehnte diesen Vorschlag ab. Stattdessen ließ sein US-Handelsbeauftragter Jamieson Greer wissen, dass Ausnahmen von den neuen US-Zöllen in näherer Zeit nicht zu erwarten seien.
Das ist der nächste Hinweis darauf, dass es sich bei den Zöllen nicht um Verhandlungsmasse, sondern um eine dauerhaft angelegte Staatsfinanzierungsquelle handeln soll, als Ersatz für zukünftige Steuersenkungen, wie ich vorgestern bereits schrieb. Und so muss man nun wohl damit rechnen, dass es nicht bei ersten Zöllen auf einige US-Importe der EU bleiben wird, die soeben verkündet wurden, während ich diese Zeilen schrieb.
In der kommenden Woche sollen nach Angaben der EU-Kommission als Vergeltung für US-Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte unter anderem Sonderabgaben für Jeans und Motorräder aus den USA in Kraft treten. Weitere Vergeltungszölle sollen ab Mitte Mai gelten. Und Anfang Dezember wird gegebenenfalls erneut nachgelegt.
Je länger die Zölle gelten, desto länger könnte der Aktienmarkt schwächeln
Dabei gilt schon jetzt: Wenn Trumps Zölle die (Welt-)Wirtschaft in eine deutlich schwächere Zeit schicken, ist auch am Aktienmarkt eine längere Schwächephase zu erwarten. Und dann wird man sich in Erinnerung rufen müssen, dass ein Bärenmarkt sich nicht nur durch einen Rücksetzer von mindestens 20 % definiert, sondern eigentlich durch „anhaltend“ sinkende Kurse, also eher einer Phase „länger“ fallender Kurse bzw. einem größeren und lang anhaltenden Abwärtstrend.
Nur langsam vom Bären zum Bullen
Und daher werde ich, was US-Aktien angeht, auch nur LANGSAM vom Bären zum Bullen, wie ich gestern schrieb. Zwar würde ich, wie gestern geschrieben, aktuell durchaus schon eine Long-Position auf US-Aktien wagen – und für mein privates, langfristiges Altersvorsorgedepot habe ich gestern auch einen solchen Kauf getätigt – doch rechne ich durchaus noch mit einem weiteren Korrekturtief.
Zunächst von fallenden Kursen profitiert
Da ich weiß, wie sehr unzählige Anleger durch die jüngsten Kursentwicklungen getroffen wurden, fällt es mir schwer, über Gewinne mit Short-Positionen zu berichten und zu schreiben, dass ich mich über die stark gefallenen Aktienkurse freue. Aber letztlich ist es eben so, dass ich, wie am Freitag bereits geschrieben, gar nicht mehr weiß, „wie oft ich darauf hingewiesen habe, dass sich die Aktienmärkte in eine extreme Übertreibung hineinmanövriert haben („Magnificent 7“- bzw. KI-Blase). Und bei derart starken Übertreibungen ist es eben sehr häufig so, dass die anschließende Gegenbewegung ebenfalls sehr dynamisch ausfällt“. Jedenfalls habe ich dementsprechend agiert:
Für ein Beispiel bleibe ich beim S&P 500: Auch in der Ausgabe des „Target-Trend-Spezial“ von Montag war zu dem US-Aktienindex wieder zu lesen, dass der S&P 500 massiv überkauft war, „weil er 2024 um ca. 25 % bzw. ein Viertel zulegen konnte, nachdem ihm dies bereits im Vorjahr gelungen war (2023: +24,23 %). Das ist eine klare Übertreibung. Und am Ende von Übertreibungen stehen meist scharfe Korrekturen an“. Ich habe mal nachgeschaut – erstmals findet sich diese Warnung in der Ausgabe vom 26.09.2024. Seitdem war sie zu jeder S&P 500-Analyse zu lesen.
Sicherlich, ich war damit etwas zu früh dran. Schließlich stieg der Index selbst am 19.02.2025 noch auf ein neues Rekordhoch (6.147,43 Punkte). Aber vorgestern stand er (mit nur noch 4.835 Punkten) plötzlich bereits auf dem niedrigsten Niveau seit Januar 2024. Das Niveau vom 26.09.2024 (ca. 5.750) wurde also weit unterschritten.
Und so haben Short-Positionen, zu denen ich in einer extremen Rally und Übertreibung geraten hatte – ebenfalls zu früh, wodurch sie bei Befolgung der Trading-Tipps deutlich ins Minus gelaufen wären – am Ende noch einen Gewinn eingebracht. Denn eine Short-Position hatte ich bei einem Punktestand des S&P 500 von ca. 5.110 beschrieben. Und als der Index vorgestern im Tief bei nur noch 4.835 Punkten landete, riet ich zur Gewinnmitnahme. Manchmal zahlt sich Geduld an der Börse jedenfalls aus.
Fazit
Mit anderen Worten: Es hat zwar länger gedauert als erhofft, doch jetzt ist die erwartete und längst überfällige Korrektur da. Mit Short-Positionen konnte man von dieser bereits profitieren. Und vielleicht geht es auch noch weiter abwärts – vor allem, wenn es auch noch zwischen den USA und der EU zu einer Eskalation kommt. Doch ich würde nun die Chance zu Gewinnmitnahmen nutzen, sobald diese bei Short-Trades möglich sind. Denn wie eingangs beschrieben, scheint inzwischen schon viel Negatives in den Kursen eingepreist. Das zeigt die moderate Reaktion der Märkte auf die gestrige Anhebung der chinesischen Vergeltungszölle.
Ich wünsche Ihnen jedenfalls weiterhin viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus
(Quelle: www.stockstreet.de)