Argentinien: Radikaler Währungs-Befreiungsschlag

Umfassende Währungsreform in Argentinien mit 20-Milliarden-Dollar IWF-Programm setzt auf flexibles Wechselkursband und Liberalisierung der Devisenbestimmungen

Kurz zusammengefasst:
  • Historisches Finanzpaket über 42 Milliarden
  • Flexible Wechselkurszone für den Peso
  • Gewinnrückführung für Unternehmen wieder möglich
  • Gespaltene Meinungen zur Wirtschaftswende

Im Rahmen eines historischen 20-Milliarden-Dollar-Abkommens mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) hat Argentinien am Freitag einen drastischen wirtschaftspolitischen Kurswechsel vollzogen. Die Regierung unter Präsident Javier Milei kündigte die weitgehende Aufhebung der seit 2019 bestehenden Kapitalkontrollen an und führt ab Montag ein flexibles Wechselkursband für den Peso ein. Diese Maßnahmen markieren einen bedeutenden Wendepunkt in der wirtschaftlichen Entwicklung des krisengeschüttelten südamerikanischen Landes.

Der 23. IWF-Deal für Argentinien

Der neue IWF-Deal ist bereits das 23. Programm in der komplexen Geschichte zwischen dem Fonds und Argentinien seit dessen Beitritt im September 1956. Mit einem Gesamtvolumen von 20 Milliarden Dollar über 48 Monate soll das Extended Fund Facility-Programm dem Land einen Weg aus einer der schwersten Wirtschaftskrisen seiner Geschichte bahnen – geprägt von dreistelliger Inflation, negativen Währungsreserven und einer anhaltenden Rezession.

Wirtschaftsminister Luis Caputo verkündete, dass von den 20 Milliarden Dollar bereits 12 Milliarden bis kommenden Dienstag ausgezahlt werden, weitere 2 Milliarden sollen bis Juni folgen. Diese Finanzmittel werden hauptsächlich zur Rekapitalisierung der argentinischen Zentralbank verwendet und sollen nach Erwartung der Regierung zu einer gesünderen Währung, einer fortgesetzten Inflationsreduzierung und Steuersenkungen führen.

Das neue Abkommen katalysiert zudem zusätzliche multilaterale Unterstützung: Die Weltbank stellt ein 12-Milliarden-Dollar-Paket bereit, während die Interamerikanische Entwicklungsbank weitere 10 Milliarden Dollar zusagt. Diese massive Finanzspritze von insgesamt 42 Milliarden Dollar soll Argentinien einen zeitnahen Wiederzugang zu den internationalen Kapitalmärkten ermöglichen.

Radikale Abschaffung des "Cepo"

Im Zentrum der wirtschaftspolitischen Wende steht die Demontage des als "Cepo" bekannten Devisenkontrollsystems. Ab dem 15. April 2025 wird die Zentralbank ihre starre Währungsanbindung aufheben und dem Peso erlauben, innerhalb eines Korridors zwischen 1.000 und 1.400 Peso pro Dollar zu schwanken – gegenüber dem Schlusskurs von 1.074 Peso am Freitag. Dieses Band wird sich monatlich um ein Prozent ausweiten, wodurch schrittweise mehr Flexibilität entsteht.

"Ab Montag können wir die Devisenbeschränkungen beenden, die seit 2019 bestehen und das normale Funktionieren der Wirtschaft behindern", erklärte Wirtschaftsminister Caputo bei einer Pressekonferenz. Besonders bedeutsam: Unternehmen dürfen ab diesem Jahr Gewinne wieder ins Ausland transferieren – eine zentrale Forderung der Wirtschaft, die neue Investitionen anlocken könnte.

Ökonomen bewerten die Maßnahmen unterschiedlich. Ricardo Delgado bezeichnete den Schritt als "Abwertung", die "gegen die ursprüngliche Absicht der Regierung geht, ruhig bis zu den Wahlen zu kommen." Der ehemalige IWF-Direktor für die westliche Hemisphäre, Claudio Loser, zeigte sich überrascht von der Höhe der bereitgestellten Mittel und warnte: "Die Menschen werden sehr nervös sein."

Mileis Schocktherapie zeigt erste Erfolge

Libertärer Präsident Javier Milei, ein ehemaliger Ökonom und politischer Außenseiter, hat seit seinem Amtsantritt Ende 2023 massive Ausgabenkürzungen durchgeführt. Diese Maßnahmen trugen zu einem seltenen Haushaltsüberschuss bei – noch bevor der IWF entsprechende Forderungen stellte, der üblicherweise Kreditprogramme an Wirtschaftsreformen und Ziele knüpft.

"Im Gegensatz zu früheren Präsidenten bedeutet Mileis Engagement für Marktreformen und fiskalisches Gleichgewicht, dass Argentinien diesmal die Bedingungen umsetzen und einhalten könnte", sagte Washington-basierter Analyst Nicolás Saldías von der Economist Intelligence Unit. "Milei ist IWF-freundlicher als der IWF selbst – er kommt nicht mit leeren Händen und hat viele der Bedingungen des Fonds bereits mehr als erfüllt."

Mileis harte Kürzungsmaßnahmen haben zur Stabilisierung der Wirtschaft beigetragen, die Inflation gesenkt und das Vertrauen der Märkte teilweise wiederhergestellt. Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und Armutsquote, die nach seinem Amtsantritt massive Einbrüche erlitten hatten, beginnen sich ebenfalls zu erholen.

Eine problematische Beziehung mit historischer Last

Die Beziehung zwischen Argentinien und dem IWF ist historisch belastet. Im Dezember 1958 vereinbarte das Land, das mit Inflation und schwachen Reserven kämpfte, seinen ersten Kredit über 75 Millionen Dollar mit dem IWF. Seither hat Argentinien in 23 Programmen insgesamt 177 Milliarden Dollar an vereinbarten Mitteln erhalten und ist mit Abstand der größte Schuldner des Fonds.

Viele Argentinier geben dem IWF die Schuld an der Verschärfung der historischen Krise von 2001/2002, als der Fonds harte Sparmaßnahmen in einem bereits leidenden Land durchsetzte. Proteste in Buenos Aires zeigen regelmäßig Plakate mit Kritik am Kreditgeber.

Die linke Abgeordnete Myriam Bregman sagte gegenüber Reuters während eines kürzlichen Straßenprotests von Rentnern, die unter den Ausgabenkürzungen der libertären Regierung leiden: "Alle bisherigen Erfahrungen mit dem IWF in unserem Land waren schrecklich. Viele Argentinier werden nicht in Rente gehen können."

Globale Marktturbulenzen als Risikofaktor

Die Lockerung der Kapitalkontrollen erfolgt zu einem Zeitpunkt erheblicher globaler Marktvolatilität, ausgelöst durch die chaotische Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump. In nur einer Woche hat der Dollar seinen Status als sicherer Hafen verloren und wurde zum Prügelknaben der Investoren, da Trumps willkürliche Zölle gegen Freund und Feind jahrzehntelanges Vertrauen in die Weltreservewährung untergraben.

"Die USA haben über Nacht ihre sicheren Hafen-Eigenschaften verloren", sagte Ray Attrill, Leiter der FX-Strategie bei der National Australia Bank. "Die gesamte Prämisse des Dollars als Reservewährung wird durch das, was wir seit Trumps Wahl gesehen haben, praktisch in Frage gestellt."

Dies könnte die argentinischen Reformen zusätzlich erschweren, da die globale Unsicherheit zunimmt. Ökonom Ricardo Delgado betonte: "Es ist etwas überraschend, dass in dieser Zeit globaler Volatilität die Kontrollen aufgehoben werden."

Gespaltene Reaktionen auf den Straßen von Buenos Aires

Die Bewohner von Buenos Aires zeigten gemischte Gefühle gegenüber dem neuen Programm. Der 56-jährige Pablo Inzua meinte: "Wenn jemand zu einem Kredit Ja sagt, ist das positiv, weil es bedeutet, dass man dir vertraut." Er warnte jedoch, dass das Land bereits zuvor durch zu hohe Schulden verbrannt wurde.

Maria Del Valle Romano, eine 68-jährige Rentnerin, zeigte sich vollständig dagegen: "Ich mag es nicht. Als Macri in der Regierung war, hat er sich bereits für ich weiß nicht wie viele Milliarden verschuldet, jetzt dieser für einen weiteren Haufen Milliarden. In wie viele Schulden wird uns dieser Präsident noch stürzen?"

Ausblick: Zwischen Hoffnung und Skepsis

Während die Regierung Milei optimistisch ist, dass dieser IWF-Deal anders verlaufen wird als die vorherigen, bleibt die Frage offen, ob Argentinien seinen Teufelskreis aus Boom-und-Bust-Zyklen durchbrechen kann. Als großer Exporteur von Soja, Mais und Rindfleisch gehörte Argentinien vor einem Jahrhundert zu den wohlhabendsten Ländern der Welt pro Kopf, fiel aber einem Boom-und-Bust-Zyklus zum Opfer, der es regelmäßig zu globalen Kreditgebern zurückkehren ließ.

Agustin Etchebarne, Leiter der Freedom and Progress Foundation, sieht positive Aspekte: "Die Unsicherheit wird abnehmen, und das ist eine positive Sache. Dies wird dazu beitragen, die Zentralbank zu stärken… Das sind gute Nachrichten und wird es ermöglichen, dass die Inflation mittelfristig auf viel niedrigere Niveaus sinkt als wir derzeit haben."

Die kommenden Monate werden zeigen, ob Mileis radikaler Ansatz tatsächlich den wirtschaftlichen Wendepunkt markiert, den Argentinien so dringend benötigt, oder ob die historische Belastung und die globalen Marktturbulenzen die ambitionierten Reformen untergraben werden.

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