Auch Renten-ETFs litten im
Corona-Crash – trotzdem blieb der Handel liquider als
bei den Anleihen selbst, wie das ETF Magazin vorrechnet.



7. Juli 2020. MÜNCHEN (ETF Magazin). Im vergangenen Jahr
erlebten Anleihen-ETFs einen grandiosen Boom. Mit 56
Milliarden Euro konnte dieser ETF-Typ mehr Geld einsammeln
als Aktien-ETFs mit 45 Milliarden Euro. Für das Wachstum
nennen Emittenten vor allem zwei Gründe: Neben der
Einfachheit, mit nur einer Transaktion ein
diversifiziertes Anleihenportfolio kaufen zu können, seien
vor allem die niedrigen Kosten von Vorteil. Kritiker
bemängeln hingegen, dass bei Anleihen-ETFs eine Liquidität
suggeriert werde, die insbesondere in Krisenzeiten nicht
vorhanden sei. Nun haben wir in den vergangenen zwei
Monaten eine solche Krisensituation erlebt und es ist
tatsächlich zu außergewöhnlichen Entwicklungen gekommen.

Wenn die
Marktunsicherheit zunimmt, trifft es nicht nur Aktien-,
sondern auch Anleihenmärkte. Das galt in der Vergangenheit
besonders für Corporate Bonds. Und so war es auch in der
Corona-Krise. Aus Sicht der Investoren im Euro-Raum fiel
der Preis des größten US-Dollar-Corporate-Bond-ETF von
Februar bis zum 19. März 2020 um bis zu 20 Prozent. Bei
Euro-Corporate-Bond-ETFs summierten sich die Kursverluste
im Maximum auf immerhin noch 14 Prozent. Neben den
Kursabschlägen konnten bei Corporate-Bond-ETFs darüber
hinaus außergewöhnlich große Preisunterschiede (Discounts)
zwischen den offiziellen Nettoinventarwerten (Net Asset
Value, kurz NAV) und den Börsenkursen der untersuchten
ETFs beobachtet werden. Außerdem kam es zu einem
deutlichen Auseinanderlaufen der Bid-Ask-Spreads und somit
zu einer Erhöhung der impliziten Handelskosten.

Was war da los bei
den Anleihen-ETFs? Zur Beantwortung dieser Frage haben wir
im Crossflow-Research zunächst das Auseinanderlaufen der
Spreads untersucht. In der Grafik auf Seite 36 oben werden
die Bid-Ask-Spreads von US-Dollar-Corporate-Bonds
dargestellt, einmal als gewichteter Anleihenkorb auf Basis
der Spreads der einzelnen Anleihen und einmal dasselbe
Anleihenportfolio im ETF-Mantel mit den Spreads im
ETF-Sekundärmarkt.

Es ist deutlich zu
erkennen, dass die ETF-Spreads in der ruhigen Marktphase
vor der Krise enger als beim zugrunde liegenden
Anleihenkorb waren. Hier kommt die einfachere
Handelbarkeit eines Indexprodukts gegenüber diversen
Einzeltiteln – eines der Hauptargumente für den Einsatz
von ETFs – voll zum Tragen. Es bildet sich ein eigener
Sekundärmarkt für ausstehende ETF-Anteile, dessen
Liquidität erwartungsgemäß vom zugrunde liegenden
Anleihenmarkt und darüber hinaus zusätzlich von den
Handelsaktivitäten der ETF-Marktteilnehmer beeinflusst
wird.

Zu Beginn der
Corona-Krise war zu beobachten, dass sowohl die Spreads
der einzelnen Anleihen als auch die ETF-Spreads deutlich
auseinanderliefen. Es gab sogar einzelne Zeitpunkte, an
denen die ETF-Spreads breiter standen als der
Anleihenkorb. Eine solche Situation blieb aber die
Ausnahme. Während das Auseinanderdriften der
Bid-Ask-Spreads des Anleihenkorbs im Verlauf des März
weiter zunahm, beruhigte sich die Situation auf dem
ETF-Sekundärmarkt ein wenig. Die ETF-Spreads
stabilisierten sich, allerdings auf einem wesentlich
breiteren Niveau als in den Vormonaten.

Die Grafik zeigt,
dass die Spread-Ausweitung kein ETF-spezifisches Problem
war. Im Anleihenmarkt direkt war der Effekt sogar noch
wesentlich ausgeprägter. Kommt es zu solchen
Liquiditätsengpässen, sind damit auch aktive Fonds oder
Anleihen-Direktinvestoren betroffen, weil sich für die
Anleihenpositionen keine Abnehmer zu akzeptablen Preisen
finden lassen.

In unserer
Darstellung haben wir US-Dollar-Corporate-Bonds als
ETF-Underlying exemplarisch als Extrembeispiel ausgewählt.
Ähnliche Effekte konnten aber auch in allen anderen
Anleihenkategorien und Währungen beobachtet werden,
unabhängig vom Anbieter oder der Replikationsmethodik. Die
Einzelergebnisse können gern bei uns angefragt werden.

Im Übrigen haben
wir bereits in früheren Studien festgestellt, dass auch
ETFs auf andere Asset-Klassen oder Märkte sowohl in
normalen als auch in volatilen Zeiten häufig zu engeren
Spreads im Vergleich zu den Underlyings handelten. Die
Sekundärmarktliquidität funktioniert offensichtlich auch
in unsicheren Marktphasen.

Bevor wir uns dem
allgemeinen Problem von Liquiditätsengpässen im Fazit
widmen, wollen wir noch diskutieren, warum es im
Corona-Crash zu enormen Bewertungsabschlägen bei
Anleihen-ETFs kam. An vielen Stellen wurde in den
vergangenen Wochen berichtet, dass Corporate-Bond-ETFs in
den USA und Europa zu deutlichen Abschlägen, sogenannten
Discounts, gegenüber dem gern als „fairer Wert“
bezeichneten Nettoinventarwert an den Börsen handelten.

Quelle: Crossflow ETF Analysis,
Bloomberg

Auf dem Höhepunkt
des Corona-Crashs konnten mutige Investoren mit einem ETF
ein Portfolio von Unternehmensanleihen deutlich unter
Marktpreis erwerben, zumindest bei Aufträgen mit einem
Volumen von weniger als einer Million Euro. ETFs mit
Euro-Unternehmensanleihen notierten mit bis zu sieben
Prozent unter dem NAV der Fonds. Bei
US-Dollar-Corporate-Bonds erreichten die Abschläge in der
Spitze sogar zehn Prozent (s. Grafik l.). Das klingt
gerade in Zeiten von Negativzinsen nach einem einfachen
und richtig guten Geschäft – und nach einem Deal, den es
eigentlich nicht geben kann.

Schließlich würden
solche Discounts normalerweise umgehend aufmerksame
Rentenhändler auf den Plan rufen und den ansonsten
greifenden Arbitragemechanismus im ETF-Markt auslösen.
Dieser Mechanismus in der Wertschöpfungskette der
ETF-Struktur sorgt in der Regel dafür, dass die
Preisunterschiede zwischen Primär- und Sekundärmarkt
gering bleiben, dass also der ETF-Kurs immer nahe am NAV
des ETF-Portfolios liegt. Der korrigierende Effekt blieb
während der Krise jedoch aus. Damit stellt sich die Frage,
warum der Arbitragemechanismus im Corona-Crash gestört
war. Die Antwort liegt im Zusammenspiel der
Produktkonstruktion von ETFs und der bereits beschriebenen
Liquiditätssituation am Rentenmarkt.

Der NAV vieler
Anleihen-ETFs errechnet sich auf Basis von indikativen –
also theoretischen – Geldkursen der zugrunde liegenden
Anleihen. Insbesondere im März war die Wahrscheinlichkeit
sehr hoch, dass der handelbare Preis von der Indikation
abwich und zusätzlich der Spread des ETF mit zunehmendem
Handelsvolumen immer breiter wurde. Gerade in Krisenzeiten
kann sich bei Investoren die Meinung verfestigen,
schnellstmöglich eine Position liquidieren zu wollen.
Exakt das ist bei den Anleihen-ETFs von Ende Februar bis
Mitte März passiert – bei allen Renten-ETFs herrschte
überdurchschnittlicher Verkaufsdruck.

Quelle: Crossflow ETF Analysis,
Bloomberg, ETF Anbieter

Wenn ein größeres
ETF-Volumen in einer eher illiquideren Rentenklasse in
verhältnismäßig kurzer Zeit zurückgegeben wird, fällt es
den ETF-Market-Makern zunehmend schwerer, für die
Anleihenkörbe die entsprechenden Abnehmer zu finden.
Selbst wenn sich ein Rentenhändler dazu bereit erklärt,
einen Basket in einem unsicheren Marktumfeld aufzukaufen,
wird der gebotene Preis sehr wahrscheinlich deutlich unter
dem indikativen – also theoretischen – NAV liegen. Der
verbliebene Käufer wird eher einen handelbaren Kurs
stellen, der sämtliche Kosten und vor allem Risiken
volumengerecht berücksichtigt.

Quelle: Crossflow ETF Analysis,
Bloomberg, ETF Anbieter

Die in der Grafik
gezeigte Differenz zwischen dem NAV des ETF und seinem
Geldkurs an der Börse beruht also auf der
unterschiedlichen Markteinschätzung eines indikativen NAV
und den in der Realität handelbaren Kursen der Anleihen.
Die Abweichungen sind somit entweder dadurch entstanden,
dass der ETF-Kurs zu niedrig oder der NAV zu hoch
angesetzt war.

Die Illiquidität
des Corporate-Bond-Markts Mitte März hatte auch die
US-Notenbank Fed zu einer Reaktion veranlasst: Neben
Investment-Grade-Anleihen kann die Fed nun auch
Anleihen-ETFs kaufen. Bereits die Ankündigung der
Kaufpläne hat die Abschläge der ETFs kurzfristig sogar in
Aufschläge (Premiums) verwandelt. Auch im europäischen
ETF-Markt folgten den Verkäufen im März größere und
regelmäßige Mittelzuflüsse im April.

Fazit

In der Krise ließen
sich massive Spread-Ausweitungen und Abschläge in der
Bewertung von Anleihen-ETFs beobachten. Die Rentenmärkte
haben sich seither zwar deutlich erholt, sind aber bei
Weitem noch nicht zurück auf Vorkrisenniveau. Immerhin
notieren Anleihen-ETFs nach wie vor mit deutlich engeren
Spreads als ein Wertpapierkorb mit vergleichbaren Anleihen
aus dem gleichen Indexuniversum. Durch ihre Eigendynamik
am Sekundärmarkt erhöhen Anleihen-ETFs offensichtlich das
Liquiditätsangebot.

Die Analyse zeigt
allerdings auch eine negative Seite der regulatorischen
Maßnahmen nach der Finanzkrise 2008. Konnten seriös
arbeitende Banken vor der Finanzkrise noch vermehrt
Risiken oder Opportunitäten auf das eigene Buch nehmen und
auf diese Weise, insbesondere in volatilen Zeiten,
stabilisierend und entschleunigend auf die
Kursentwicklungen wirken, so ist dies aufgrund der seitdem
verordneten regulatorischen Maßnahmen, beispielsweise
verschärften Eigenkapitalanforderungen, inzwischen nur
noch bedingt möglich. Die Lücke scheinen nun die
Zentralbanken zu schließen. Die Bank of Japan
beispielsweise hält aktuell mehr als 70 Prozent des
Anlagevolumens des japanischen ETF-Markts. Mit der
Ankündigung, Unternehmensanleihen-ETFs zu kaufen, tritt
die US-Notenbank nun ebenfalls als Liquiditätsanbieter in
den Markt ein.

von Martin Pöhlsen,
© Juni 2020, ETF Magazin

Dieser Artikel
stammt aus dem aktuellen ETF Magazin. Das ETF Magazin
erscheint quartalsweise in Zusammenarbeit mit Focus Money
und richtet sich an Berater, Vermögensverwalter und
Portfoliomanager, ist aber sicher auch für informierte
Anleger interessant.

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Auch Renten-ETFs litten im
Corona-Crash – trotzdem blieb der Handel liquider als
bei den Anleihen selbst, wie das ETF Magazin vorrechnet.



7. Juli 2020. MÜNCHEN (ETF Magazin). Im vergangenen Jahr
erlebten Anleihen-ETFs einen grandiosen Boom. Mit 56
Milliarden Euro konnte dieser ETF-Typ mehr Geld einsammeln
als Aktien-ETFs mit 45 Milliarden Euro. Für das Wachstum
nennen Emittenten vor allem zwei Gründe: Neben der
Einfachheit, mit nur einer Transaktion ein
diversifiziertes Anleihenportfolio kaufen zu können, seien
vor allem die niedrigen Kosten von Vorteil. Kritiker
bemängeln hingegen, dass bei Anleihen-ETFs eine Liquidität
suggeriert werde, die insbesondere in Krisenzeiten nicht
vorhanden sei. Nun haben wir in den vergangenen zwei
Monaten eine solche Krisensituation erlebt und es ist
tatsächlich zu außergewöhnlichen Entwicklungen gekommen.

Wenn die
Marktunsicherheit zunimmt, trifft es nicht nur Aktien-,
sondern auch Anleihenmärkte. Das galt in der Vergangenheit
besonders für Corporate Bonds. Und so war es auch in der
Corona-Krise. Aus Sicht der Investoren im Euro-Raum fiel
der Preis des größten US-Dollar-Corporate-Bond-ETF von
Februar bis zum 19. März 2020 um bis zu 20 Prozent. Bei
Euro-Corporate-Bond-ETFs summierten sich die Kursverluste
im Maximum auf immerhin noch 14 Prozent. Neben den
Kursabschlägen konnten bei Corporate-Bond-ETFs darüber
hinaus außergewöhnlich große Preisunterschiede (Discounts)
zwischen den offiziellen Nettoinventarwerten (Net Asset
Value, kurz NAV) und den Börsenkursen der untersuchten
ETFs beobachtet werden. Außerdem kam es zu einem
deutlichen Auseinanderlaufen der Bid-Ask-Spreads und somit
zu einer Erhöhung der impliziten Handelskosten.

Was war da los bei
den Anleihen-ETFs? Zur Beantwortung dieser Frage haben wir
im Crossflow-Research zunächst das Auseinanderlaufen der
Spreads untersucht. In der Grafik auf Seite 36 oben werden
die Bid-Ask-Spreads von US-Dollar-Corporate-Bonds
dargestellt, einmal als gewichteter Anleihenkorb auf Basis
der Spreads der einzelnen Anleihen und einmal dasselbe
Anleihenportfolio im ETF-Mantel mit den Spreads im
ETF-Sekundärmarkt.

Es ist deutlich zu
erkennen, dass die ETF-Spreads in der ruhigen Marktphase
vor der Krise enger als beim zugrunde liegenden
Anleihenkorb waren. Hier kommt die einfachere
Handelbarkeit eines Indexprodukts gegenüber diversen
Einzeltiteln – eines der Hauptargumente für den Einsatz
von ETFs – voll zum Tragen. Es bildet sich ein eigener
Sekundärmarkt für ausstehende ETF-Anteile, dessen
Liquidität erwartungsgemäß vom zugrunde liegenden
Anleihenmarkt und darüber hinaus zusätzlich von den
Handelsaktivitäten der ETF-Marktteilnehmer beeinflusst
wird.

Zu Beginn der
Corona-Krise war zu beobachten, dass sowohl die Spreads
der einzelnen Anleihen als auch die ETF-Spreads deutlich
auseinanderliefen. Es gab sogar einzelne Zeitpunkte, an
denen die ETF-Spreads breiter standen als der
Anleihenkorb. Eine solche Situation blieb aber die
Ausnahme. Während das Auseinanderdriften der
Bid-Ask-Spreads des Anleihenkorbs im Verlauf des März
weiter zunahm, beruhigte sich die Situation auf dem
ETF-Sekundärmarkt ein wenig. Die ETF-Spreads
stabilisierten sich, allerdings auf einem wesentlich
breiteren Niveau als in den Vormonaten.

Die Grafik zeigt,
dass die Spread-Ausweitung kein ETF-spezifisches Problem
war. Im Anleihenmarkt direkt war der Effekt sogar noch
wesentlich ausgeprägter. Kommt es zu solchen
Liquiditätsengpässen, sind damit auch aktive Fonds oder
Anleihen-Direktinvestoren betroffen, weil sich für die
Anleihenpositionen keine Abnehmer zu akzeptablen Preisen
finden lassen.

In unserer
Darstellung haben wir US-Dollar-Corporate-Bonds als
ETF-Underlying exemplarisch als Extrembeispiel ausgewählt.
Ähnliche Effekte konnten aber auch in allen anderen
Anleihenkategorien und Währungen beobachtet werden,
unabhängig vom Anbieter oder der Replikationsmethodik. Die
Einzelergebnisse können gern bei uns angefragt werden.

Im Übrigen haben
wir bereits in früheren Studien festgestellt, dass auch
ETFs auf andere Asset-Klassen oder Märkte sowohl in
normalen als auch in volatilen Zeiten häufig zu engeren
Spreads im Vergleich zu den Underlyings handelten. Die
Sekundärmarktliquidität funktioniert offensichtlich auch
in unsicheren Marktphasen.

Bevor wir uns dem
allgemeinen Problem von Liquiditätsengpässen im Fazit
widmen, wollen wir noch diskutieren, warum es im
Corona-Crash zu enormen Bewertungsabschlägen bei
Anleihen-ETFs kam. An vielen Stellen wurde in den
vergangenen Wochen berichtet, dass Corporate-Bond-ETFs in
den USA und Europa zu deutlichen Abschlägen, sogenannten
Discounts, gegenüber dem gern als „fairer Wert“
bezeichneten Nettoinventarwert an den Börsen handelten.

Quelle: Crossflow ETF Analysis,
Bloomberg

Auf dem Höhepunkt
des Corona-Crashs konnten mutige Investoren mit einem ETF
ein Portfolio von Unternehmensanleihen deutlich unter
Marktpreis erwerben, zumindest bei Aufträgen mit einem
Volumen von weniger als einer Million Euro. ETFs mit
Euro-Unternehmensanleihen notierten mit bis zu sieben
Prozent unter dem NAV der Fonds. Bei
US-Dollar-Corporate-Bonds erreichten die Abschläge in der
Spitze sogar zehn Prozent (s. Grafik l.). Das klingt
gerade in Zeiten von Negativzinsen nach einem einfachen
und richtig guten Geschäft – und nach einem Deal, den es
eigentlich nicht geben kann.

Schließlich würden
solche Discounts normalerweise umgehend aufmerksame
Rentenhändler auf den Plan rufen und den ansonsten
greifenden Arbitragemechanismus im ETF-Markt auslösen.
Dieser Mechanismus in der Wertschöpfungskette der
ETF-Struktur sorgt in der Regel dafür, dass die
Preisunterschiede zwischen Primär- und Sekundärmarkt
gering bleiben, dass also der ETF-Kurs immer nahe am NAV
des ETF-Portfolios liegt. Der korrigierende Effekt blieb
während der Krise jedoch aus. Damit stellt sich die Frage,
warum der Arbitragemechanismus im Corona-Crash gestört
war. Die Antwort liegt im Zusammenspiel der
Produktkonstruktion von ETFs und der bereits beschriebenen
Liquiditätssituation am Rentenmarkt.

Der NAV vieler
Anleihen-ETFs errechnet sich auf Basis von indikativen –
also theoretischen – Geldkursen der zugrunde liegenden
Anleihen. Insbesondere im März war die Wahrscheinlichkeit
sehr hoch, dass der handelbare Preis von der Indikation
abwich und zusätzlich der Spread des ETF mit zunehmendem
Handelsvolumen immer breiter wurde. Gerade in Krisenzeiten
kann sich bei Investoren die Meinung verfestigen,
schnellstmöglich eine Position liquidieren zu wollen.
Exakt das ist bei den Anleihen-ETFs von Ende Februar bis
Mitte März passiert – bei allen Renten-ETFs herrschte
überdurchschnittlicher Verkaufsdruck.

Quelle: Crossflow ETF Analysis,
Bloomberg, ETF Anbieter

Wenn ein größeres
ETF-Volumen in einer eher illiquideren Rentenklasse in
verhältnismäßig kurzer Zeit zurückgegeben wird, fällt es
den ETF-Market-Makern zunehmend schwerer, für die
Anleihenkörbe die entsprechenden Abnehmer zu finden.
Selbst wenn sich ein Rentenhändler dazu bereit erklärt,
einen Basket in einem unsicheren Marktumfeld aufzukaufen,
wird der gebotene Preis sehr wahrscheinlich deutlich unter
dem indikativen – also theoretischen – NAV liegen. Der
verbliebene Käufer wird eher einen handelbaren Kurs
stellen, der sämtliche Kosten und vor allem Risiken
volumengerecht berücksichtigt.

Quelle: Crossflow ETF Analysis,
Bloomberg, ETF Anbieter

Die in der Grafik
gezeigte Differenz zwischen dem NAV des ETF und seinem
Geldkurs an der Börse beruht also auf der
unterschiedlichen Markteinschätzung eines indikativen NAV
und den in der Realität handelbaren Kursen der Anleihen.
Die Abweichungen sind somit entweder dadurch entstanden,
dass der ETF-Kurs zu niedrig oder der NAV zu hoch
angesetzt war.

Die Illiquidität
des Corporate-Bond-Markts Mitte März hatte auch die
US-Notenbank Fed zu einer Reaktion veranlasst: Neben
Investment-Grade-Anleihen kann die Fed nun auch
Anleihen-ETFs kaufen. Bereits die Ankündigung der
Kaufpläne hat die Abschläge der ETFs kurzfristig sogar in
Aufschläge (Premiums) verwandelt. Auch im europäischen
ETF-Markt folgten den Verkäufen im März größere und
regelmäßige Mittelzuflüsse im April.

Fazit

In der Krise ließen
sich massive Spread-Ausweitungen und Abschläge in der
Bewertung von Anleihen-ETFs beobachten. Die Rentenmärkte
haben sich seither zwar deutlich erholt, sind aber bei
Weitem noch nicht zurück auf Vorkrisenniveau. Immerhin
notieren Anleihen-ETFs nach wie vor mit deutlich engeren
Spreads als ein Wertpapierkorb mit vergleichbaren Anleihen
aus dem gleichen Indexuniversum. Durch ihre Eigendynamik
am Sekundärmarkt erhöhen Anleihen-ETFs offensichtlich das
Liquiditätsangebot.

Die Analyse zeigt
allerdings auch eine negative Seite der regulatorischen
Maßnahmen nach der Finanzkrise 2008. Konnten seriös
arbeitende Banken vor der Finanzkrise noch vermehrt
Risiken oder Opportunitäten auf das eigene Buch nehmen und
auf diese Weise, insbesondere in volatilen Zeiten,
stabilisierend und entschleunigend auf die
Kursentwicklungen wirken, so ist dies aufgrund der seitdem
verordneten regulatorischen Maßnahmen, beispielsweise
verschärften Eigenkapitalanforderungen, inzwischen nur
noch bedingt möglich. Die Lücke scheinen nun die
Zentralbanken zu schließen. Die Bank of Japan
beispielsweise hält aktuell mehr als 70 Prozent des
Anlagevolumens des japanischen ETF-Markts. Mit der
Ankündigung, Unternehmensanleihen-ETFs zu kaufen, tritt
die US-Notenbank nun ebenfalls als Liquiditätsanbieter in
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7. Juli 2020. MÜNCHEN (ETF Magazin). Im vergangenen Jahr
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Einfachheit, mit nur einer Transaktion ein
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vor allem die niedrigen Kosten von Vorteil. Kritiker
bemängeln hingegen, dass bei Anleihen-ETFs eine Liquidität
suggeriert werde, die insbesondere in Krisenzeiten nicht
vorhanden sei. Nun haben wir in den vergangenen zwei
Monaten eine solche Krisensituation erlebt und es ist
tatsächlich zu außergewöhnlichen Entwicklungen gekommen.

Wenn die
Marktunsicherheit zunimmt, trifft es nicht nur Aktien-,
sondern auch Anleihenmärkte. Das galt in der Vergangenheit
besonders für Corporate Bonds. Und so war es auch in der
Corona-Krise. Aus Sicht der Investoren im Euro-Raum fiel
der Preis des größten US-Dollar-Corporate-Bond-ETF von
Februar bis zum 19. März 2020 um bis zu 20 Prozent. Bei
Euro-Corporate-Bond-ETFs summierten sich die Kursverluste
im Maximum auf immerhin noch 14 Prozent. Neben den
Kursabschlägen konnten bei Corporate-Bond-ETFs darüber
hinaus außergewöhnlich große Preisunterschiede (Discounts)
zwischen den offiziellen Nettoinventarwerten (Net Asset
Value, kurz NAV) und den Börsenkursen der untersuchten
ETFs beobachtet werden. Außerdem kam es zu einem
deutlichen Auseinanderlaufen der Bid-Ask-Spreads und somit
zu einer Erhöhung der impliziten Handelskosten.

Was war da los bei
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im Crossflow-Research zunächst das Auseinanderlaufen der
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erkennen, dass die ETF-Spreads in der ruhigen Marktphase
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wird.

Zu Beginn der
Corona-Krise war zu beobachten, dass sowohl die Spreads
der einzelnen Anleihen als auch die ETF-Spreads deutlich
auseinanderliefen. Es gab sogar einzelne Zeitpunkte, an
denen die ETF-Spreads breiter standen als der
Anleihenkorb. Eine solche Situation blieb aber die
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Bid-Ask-Spreads des Anleihenkorbs im Verlauf des März
weiter zunahm, beruhigte sich die Situation auf dem
ETF-Sekundärmarkt ein wenig. Die ETF-Spreads
stabilisierten sich, allerdings auf einem wesentlich
breiteren Niveau als in den Vormonaten.

Die Grafik zeigt,
dass die Spread-Ausweitung kein ETF-spezifisches Problem
war. Im Anleihenmarkt direkt war der Effekt sogar noch
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Liquiditätsengpässen, sind damit auch aktive Fonds oder
Anleihen-Direktinvestoren betroffen, weil sich für die
Anleihenpositionen keine Abnehmer zu akzeptablen Preisen
finden lassen.

In unserer
Darstellung haben wir US-Dollar-Corporate-Bonds als
ETF-Underlying exemplarisch als Extrembeispiel ausgewählt.
Ähnliche Effekte konnten aber auch in allen anderen
Anleihenkategorien und Währungen beobachtet werden,
unabhängig vom Anbieter oder der Replikationsmethodik. Die
Einzelergebnisse können gern bei uns angefragt werden.

Im Übrigen haben
wir bereits in früheren Studien festgestellt, dass auch
ETFs auf andere Asset-Klassen oder Märkte sowohl in
normalen als auch in volatilen Zeiten häufig zu engeren
Spreads im Vergleich zu den Underlyings handelten. Die
Sekundärmarktliquidität funktioniert offensichtlich auch
in unsicheren Marktphasen.

Bevor wir uns dem
allgemeinen Problem von Liquiditätsengpässen im Fazit
widmen, wollen wir noch diskutieren, warum es im
Corona-Crash zu enormen Bewertungsabschlägen bei
Anleihen-ETFs kam. An vielen Stellen wurde in den
vergangenen Wochen berichtet, dass Corporate-Bond-ETFs in
den USA und Europa zu deutlichen Abschlägen, sogenannten
Discounts, gegenüber dem gern als „fairer Wert“
bezeichneten Nettoinventarwert an den Börsen handelten.

Auf dem Höhepunkt
des Corona-Crashs konnten mutige Investoren mit einem ETF
ein Portfolio von Unternehmensanleihen deutlich unter
Marktpreis erwerben, zumindest bei Aufträgen mit einem
Volumen von weniger als einer Million Euro. ETFs mit
Euro-Unternehmensanleihen notierten mit bis zu sieben
Prozent unter dem NAV der Fonds. Bei
US-Dollar-Corporate-Bonds erreichten die Abschläge in der
Spitze sogar zehn Prozent (s. Grafik l.). Das klingt
gerade in Zeiten von Negativzinsen nach einem einfachen
und richtig guten Geschäft – und nach einem Deal, den es
eigentlich nicht geben kann.

Schließlich würden
solche Discounts normalerweise umgehend aufmerksame
Rentenhändler auf den Plan rufen und den ansonsten
greifenden Arbitragemechanismus im ETF-Markt auslösen.
Dieser Mechanismus in der Wertschöpfungskette der
ETF-Struktur sorgt in der Regel dafür, dass die
Preisunterschiede zwischen Primär- und Sekundärmarkt
gering bleiben, dass also der ETF-Kurs immer nahe am NAV
des ETF-Portfolios liegt. Der korrigierende Effekt blieb
während der Krise jedoch aus. Damit stellt sich die Frage,
warum der Arbitragemechanismus im Corona-Crash gestört
war. Die Antwort liegt im Zusammenspiel der
Produktkonstruktion von ETFs und der bereits beschriebenen
Liquiditätssituation am Rentenmarkt.

Der NAV vieler
Anleihen-ETFs errechnet sich auf Basis von indikativen –
also theoretischen – Geldkursen der zugrunde liegenden
Anleihen. Insbesondere im März war die Wahrscheinlichkeit
sehr hoch, dass der handelbare Preis von der Indikation
abwich und zusätzlich der Spread des ETF mit zunehmendem
Handelsvolumen immer breiter wurde. Gerade in Krisenzeiten
kann sich bei Investoren die Meinung verfestigen,
schnellstmöglich eine Position liquidieren zu wollen.
Exakt das ist bei den Anleihen-ETFs von Ende Februar bis
Mitte März passiert – bei allen Renten-ETFs herrschte
überdurchschnittlicher Verkaufsdruck.

Wenn ein größeres
ETF-Volumen in einer eher illiquideren Rentenklasse in
verhältnismäßig kurzer Zeit zurückgegeben wird, fällt es
den ETF-Market-Makern zunehmend schwerer, für die
Anleihenkörbe die entsprechenden Abnehmer zu finden.
Selbst wenn sich ein Rentenhändler dazu bereit erklärt,
einen Basket in einem unsicheren Marktumfeld aufzukaufen,
wird der gebotene Preis sehr wahrscheinlich deutlich unter
dem indikativen – also theoretischen – NAV liegen. Der
verbliebene Käufer wird eher einen handelbaren Kurs
stellen, der sämtliche Kosten und vor allem Risiken
volumengerecht berücksichtigt.

Die in der Grafik
gezeigte Differenz zwischen dem NAV des ETF und seinem
Geldkurs an der Börse beruht also auf der
unterschiedlichen Markteinschätzung eines indikativen NAV
und den in der Realität handelbaren Kursen der Anleihen.
Die Abweichungen sind somit entweder dadurch entstanden,
dass der ETF-Kurs zu niedrig oder der NAV zu hoch
angesetzt war.

Die Illiquidität
des Corporate-Bond-Markts Mitte März hatte auch die
US-Notenbank Fed zu einer Reaktion veranlasst: Neben
Investment-Grade-Anleihen kann die Fed nun auch
Anleihen-ETFs kaufen. Bereits die Ankündigung der
Kaufpläne hat die Abschläge der ETFs kurzfristig sogar in
Aufschläge (Premiums) verwandelt. Auch im europäischen
ETF-Markt folgten den Verkäufen im März größere und
regelmäßige Mittelzuflüsse im April.

Fazit

In der Krise ließen
sich massive Spread-Ausweitungen und Abschläge in der
Bewertung von Anleihen-ETFs beobachten. Die Rentenmärkte
haben sich seither zwar deutlich erholt, sind aber bei
Weitem noch nicht zurück auf Vorkrisenniveau. Immerhin
notieren Anleihen-ETFs nach wie vor mit deutlich engeren
Spreads als ein Wertpapierkorb mit vergleichbaren Anleihen
aus dem gleichen Indexuniversum. Durch ihre Eigendynamik
am Sekundärmarkt erhöhen Anleihen-ETFs offensichtlich das
Liquiditätsangebot.

Die Analyse zeigt
allerdings auch eine negative Seite der regulatorischen
Maßnahmen nach der Finanzkrise 2008. Konnten seriös
arbeitende Banken vor der Finanzkrise noch vermehrt
Risiken oder Opportunitäten auf das eigene Buch nehmen und
auf diese Weise, insbesondere in volatilen Zeiten,
stabilisierend und entschleunigend auf die
Kursentwicklungen wirken, so ist dies aufgrund der seitdem
verordneten regulatorischen Maßnahmen, beispielsweise
verschärften Eigenkapitalanforderungen, inzwischen nur
noch bedingt möglich. Die Lücke scheinen nun die
Zentralbanken zu schließen. Die Bank of Japan
beispielsweise hält aktuell mehr als 70 Prozent des
Anlagevolumens des japanischen ETF-Markts. Mit der
Ankündigung, Unternehmensanleihen-ETFs zu kaufen, tritt
die US-Notenbank nun ebenfalls als Liquiditätsanbieter in
den Markt ein.

von Martin Pöhlsen,
© Juni 2020, ETF Magazin

Dieser Artikel
stammt aus dem aktuellen ETF Magazin. Das ETF Magazin
erscheint quartalsweise in Zusammenarbeit mit Focus Money
und richtet sich an Berater, Vermögensverwalter und
Portfoliomanager, ist aber sicher auch für informierte
Anleger interessant.